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Karl Obser:
mit sich bringt, nehmen ihn zumal im Winter, weiterhin in An-
spruch und führen ihn auch nach clem benachbarten Mannheim,
wo er bei der literarischen und künstlerischen Neigungen verständ-
nisvoll zugewandten Großherzoginwitwe, der Adoptivtochter Napo-
leons, mancherlei Anregung empfängt. Von dem Umgang mit
Altersgenossen, an dem es wohl nicht gefehlt hat, von der Teil-
nahme am studentischen Leben ist in den ,,Erinnerungen“ nicht die
Rede. Den jungen Roggenbach, seinen späteren Berater, hat er
als Kommilitonen kennen gelernt, ohne ihm damals schon näherzu-
treten. Um so mehr wird der Verkehr mit der Professorenschaft
gepflegt, deren verschiedene Zirkel nicht ohne Laune geschildert
und charakterisiert werden. Am liebsten sucht er doch immer wieder
die Einsiedelei Friedr. Chr. Schlossers auf dessen mit mächtigem
Wissen und universaler Weite des Blicks ausgerüstete Persönlichkeit
in ihrer friesisch freien Eigenwüchsigkeit und selbstherrlich-
vornehmen Geschlossenheit auf den jungen Studenten einen tiefen
Eindruck ausübt. Noch im Alter erscheinen ihm die Stunden, die
er dort verbracht, als die wertvollsten. Von allen Lehrern ist keiner
aber dem Prinzen persönlich so nahe gekommen, hat keiner auf
seine Entwicklung einen so nachhaltigen Einfluß ausgeübt als
Schlossers Schüler Ludwig Häusser, der seit 1840 als Privatdozent
in Heidelberg wirkte und eben damals das Hauptwerk seiner Jugend
die „Geschichte der rheinischen Pfalz“, schrieb. Im privaten Unter-
richt, der sich über Geschichte, Literaturgeschichte, Philosophie,
Logik sowie stilistische und rhetorische ÜLungen erstreckt, über-
nimmt er nun in weitestemUmfange die Ausbildung des Prinzen, den
er auch in seinem Kolleg über die französische Revolution zu seinen
Hörern zählt. „Alles in allem gerechnet der begabteste und ver-
dienteste unserer süddeutschen Historiker, in jedem Blutstropfen
eine echte Natur von männlichem Freimut, schlichter Tüchtigkeit,
populärer Wärme, kernigem Humor, politischer Einsicht und bei
höchstem nationalem Patriotismus zugleich den badischen Dingen
mit Liebe praktisch zugewandt, hat er — nach dem Urteil Alfred
Doves — jedenfalls in der Seele seines künftigen Landesherrn mehr
als eine Saite zu unwillkürlichem Anklang geweckt1.“ Häußers Ein-
wirken vorwiegend ist es zuzuschreiben, wenn Prinz Friedrich in
dieser Zeit die nationale, politische Bewegung aufmerksamer zu ver-
folgen anfängt und sich in die Ideenwelt der jüngeren Generation,
der auch er angehört, hineinzuleben beginnt.
1 A. Dove, Großherzog Friedrich von Baden. S. 24.
Karl Obser:
mit sich bringt, nehmen ihn zumal im Winter, weiterhin in An-
spruch und führen ihn auch nach clem benachbarten Mannheim,
wo er bei der literarischen und künstlerischen Neigungen verständ-
nisvoll zugewandten Großherzoginwitwe, der Adoptivtochter Napo-
leons, mancherlei Anregung empfängt. Von dem Umgang mit
Altersgenossen, an dem es wohl nicht gefehlt hat, von der Teil-
nahme am studentischen Leben ist in den ,,Erinnerungen“ nicht die
Rede. Den jungen Roggenbach, seinen späteren Berater, hat er
als Kommilitonen kennen gelernt, ohne ihm damals schon näherzu-
treten. Um so mehr wird der Verkehr mit der Professorenschaft
gepflegt, deren verschiedene Zirkel nicht ohne Laune geschildert
und charakterisiert werden. Am liebsten sucht er doch immer wieder
die Einsiedelei Friedr. Chr. Schlossers auf dessen mit mächtigem
Wissen und universaler Weite des Blicks ausgerüstete Persönlichkeit
in ihrer friesisch freien Eigenwüchsigkeit und selbstherrlich-
vornehmen Geschlossenheit auf den jungen Studenten einen tiefen
Eindruck ausübt. Noch im Alter erscheinen ihm die Stunden, die
er dort verbracht, als die wertvollsten. Von allen Lehrern ist keiner
aber dem Prinzen persönlich so nahe gekommen, hat keiner auf
seine Entwicklung einen so nachhaltigen Einfluß ausgeübt als
Schlossers Schüler Ludwig Häusser, der seit 1840 als Privatdozent
in Heidelberg wirkte und eben damals das Hauptwerk seiner Jugend
die „Geschichte der rheinischen Pfalz“, schrieb. Im privaten Unter-
richt, der sich über Geschichte, Literaturgeschichte, Philosophie,
Logik sowie stilistische und rhetorische ÜLungen erstreckt, über-
nimmt er nun in weitestemUmfange die Ausbildung des Prinzen, den
er auch in seinem Kolleg über die französische Revolution zu seinen
Hörern zählt. „Alles in allem gerechnet der begabteste und ver-
dienteste unserer süddeutschen Historiker, in jedem Blutstropfen
eine echte Natur von männlichem Freimut, schlichter Tüchtigkeit,
populärer Wärme, kernigem Humor, politischer Einsicht und bei
höchstem nationalem Patriotismus zugleich den badischen Dingen
mit Liebe praktisch zugewandt, hat er — nach dem Urteil Alfred
Doves — jedenfalls in der Seele seines künftigen Landesherrn mehr
als eine Saite zu unwillkürlichem Anklang geweckt1.“ Häußers Ein-
wirken vorwiegend ist es zuzuschreiben, wenn Prinz Friedrich in
dieser Zeit die nationale, politische Bewegung aufmerksamer zu ver-
folgen anfängt und sich in die Ideenwelt der jüngeren Generation,
der auch er angehört, hineinzuleben beginnt.
1 A. Dove, Großherzog Friedrich von Baden. S. 24.