Jugenderinnerungen Großherzog Friedrichs I. von Baden. XI
Mit dem Abschied von Heidelberg, der ihm bitter schwer fällt,
endet für den Prinzen vorerst die Universitätszeit. Im Mai 1845
tritt er in das Karlsruher Dragonerregiment „Großherzog“ ein, um
zunächst im Verbände einer Schwadron die Einzelheiten des mili-
tärischen Dienstes kennen zu lernen, dem er sich in der Folge mit
der im eigenen Gewissenhaftigkeit widmet. In der militärischen
Laufbahn scheint die Zukunft des Zweitgeborenen sich erschöpfen
zu sollen.
Allein das Schicksal fügt es anders. Die ersten Anzeichen
geistiger Erkrankung des älteren Bruders hatten schon auf die
Heidelberger Tage ihre Schatten geworfen. Die Schwester Alexan-
drine, seit 1842 mit Ernst dem II. von Sachsen-Coburg vermählt,
ist, als sie ihn dort nach langer Trennung zum ersten Male wieder-
sieht, erschreckt, über das veränderte, unnatürliche Wesen des
Erbgroßherzogs, dem jede frohe Heiterkeit „der Jugend schönstes
Erbteil“ fehle1. Die Symptome mehren sich in der Folge in bedroh-
licher Weise, eine verhängnisvolle Verkettung äußerer Umstände
und seelischer Erschütterungen, sowie vielfach verfehlte, durch
höfische Vorurteile beeinflußte ärztliche Behandlung, gegen die
Prinz Friedrich in seiner Sorge um den Bruder vergeblich ankämpft,
begünstigen die Entwicklung des Leidens, die den Kranken mehr
und mehr nötigt, der Teilnahme am öffentlichen Leben zu ent-
sagen. Es muß schließlich mit der Möglichkeit dauernder Regie-
rungsunfähigkeit des Thronerben gerechnet werden. Damit be-
reitet sich auch eine entscheidende Veränderung im Leben des
Prinzen Friedrich vor, die ihm neue Ziele steckt. An Stelle Ludwigs
beginnt er den Vater bei der Erfüllung seiner Repräsentations-
pflichten zu unterstützen. Im August 1845 begleitet er ihn auf einer
Reise an den Rhein, wo die Begegnung mit König Friedrich Wil-
helm IV. und Metternich zu lehrreichen, für die persönlichen An-
schauungen des Prinzen bezeichnenden politischen Erörterungen
Anlaß gibt, und später nach Koburg, wo er am Hofe des Schwagers
die jugendliche Königin von England kennen lernt und sich für sie
begeistert. Im folgenden Jahre erwidert er im Auftrag des Groß-
herzogs den Besuch des Herzogs von Montpensier in Straßburg und
überbringt als Vertreter des Vaters Glückwünsche beim Einzuge
des jungen Kronprinzenpaares in Stuttgart. Mit Interesse liest
man die Bemerkungen, die sich dem aufmerksamen Beobachter
1 An Rinck, 10. Dez. 1843.
Mit dem Abschied von Heidelberg, der ihm bitter schwer fällt,
endet für den Prinzen vorerst die Universitätszeit. Im Mai 1845
tritt er in das Karlsruher Dragonerregiment „Großherzog“ ein, um
zunächst im Verbände einer Schwadron die Einzelheiten des mili-
tärischen Dienstes kennen zu lernen, dem er sich in der Folge mit
der im eigenen Gewissenhaftigkeit widmet. In der militärischen
Laufbahn scheint die Zukunft des Zweitgeborenen sich erschöpfen
zu sollen.
Allein das Schicksal fügt es anders. Die ersten Anzeichen
geistiger Erkrankung des älteren Bruders hatten schon auf die
Heidelberger Tage ihre Schatten geworfen. Die Schwester Alexan-
drine, seit 1842 mit Ernst dem II. von Sachsen-Coburg vermählt,
ist, als sie ihn dort nach langer Trennung zum ersten Male wieder-
sieht, erschreckt, über das veränderte, unnatürliche Wesen des
Erbgroßherzogs, dem jede frohe Heiterkeit „der Jugend schönstes
Erbteil“ fehle1. Die Symptome mehren sich in der Folge in bedroh-
licher Weise, eine verhängnisvolle Verkettung äußerer Umstände
und seelischer Erschütterungen, sowie vielfach verfehlte, durch
höfische Vorurteile beeinflußte ärztliche Behandlung, gegen die
Prinz Friedrich in seiner Sorge um den Bruder vergeblich ankämpft,
begünstigen die Entwicklung des Leidens, die den Kranken mehr
und mehr nötigt, der Teilnahme am öffentlichen Leben zu ent-
sagen. Es muß schließlich mit der Möglichkeit dauernder Regie-
rungsunfähigkeit des Thronerben gerechnet werden. Damit be-
reitet sich auch eine entscheidende Veränderung im Leben des
Prinzen Friedrich vor, die ihm neue Ziele steckt. An Stelle Ludwigs
beginnt er den Vater bei der Erfüllung seiner Repräsentations-
pflichten zu unterstützen. Im August 1845 begleitet er ihn auf einer
Reise an den Rhein, wo die Begegnung mit König Friedrich Wil-
helm IV. und Metternich zu lehrreichen, für die persönlichen An-
schauungen des Prinzen bezeichnenden politischen Erörterungen
Anlaß gibt, und später nach Koburg, wo er am Hofe des Schwagers
die jugendliche Königin von England kennen lernt und sich für sie
begeistert. Im folgenden Jahre erwidert er im Auftrag des Groß-
herzogs den Besuch des Herzogs von Montpensier in Straßburg und
überbringt als Vertreter des Vaters Glückwünsche beim Einzuge
des jungen Kronprinzenpaares in Stuttgart. Mit Interesse liest
man die Bemerkungen, die sich dem aufmerksamen Beobachter
1 An Rinck, 10. Dez. 1843.