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Karl Obser:
Eröffnung des Landtages durch meinen Vater.1 Es war damals
noch Sitte, daß der Großherzog sich zu Pferde, umgeben von
seinen Brüdern und einem großen Stabe, in das Ständehaus
begab. Die Garnison bildete dabei auf dem ganzen Wege Spalier,
und zwar stand gegenüber dem Ständehaus das Gardebataillon,
welches bei diesem Anlaß noch die alte, einige Zeit darauf
abgeschaffte silbergestickte Uniform trug. Meine Mutter und wir
Kinder sahen dem feierlichen Aufzug aus den Fenstern des
Ständehauses zu und wohnten dann dem Eröffnungsakte in der
zweiten Ständekammer seihst bei. Die große Teilnahme der
gesamten Bevölkerung an der Feier machte einen tiefen Eindruck
auf uns; noch mehr aber wirkte auf unsere Phantasie das
militärische Schauspiel mit all seinem Glanz und seinen Farben,
so daß von da ab auf den Wunschzetteln für Geburtstage oder
Weihnachten immer Waffen- und Uniformstücke obenan standen.
Für mich persönlich brachte die Übersiedlung in das Schloß
die wichtige Wendung, daß ich dem Erzieher meines Bruders
Ludwig, Dr. Rinck, unterstellt wurde und in dessen männliche
Obhut überging. Von da ab wurden wir beide gemeinsam er-
zogen und unterrichtet, zu welch letzterem Zwecke bald auch
einige Privatlehrer bestellt wurden. Die französische Sprache
erlernten wir in der ersten Kindheit fast, gleichzeitig mit der
Muttersprache, so daß späterhin nur noch grammatikalischer
Unterricht erforderlich war. Und diesen erteilte uns nahezu
zehn Jahre hindurch ein emigrierter Franzose, Professor Demous-
tier, welcher in früheren Jahren Sekretär des Herzogs de la
Tremouille war und uns während der Lektionen manches Lehr-
reiche aus seinen wechselvollen Lebensschicksalen erzählte.2
Späterhin führte er uns auch in die klassische französische
Literatur ein; wir haben dem braven Manne stets ein dankbares
Andenken bewahrt. Dr. Rinck3, unser Erzieher, war evange-
1 Die Beisetzung in der Stadtkirche erfolgte am 3. April 1830, der Land-
tag wurde am 16. März 1831 eröffnet.
1 Anton Theodor Demoustier, geh. 1778; er war vorzüglich Lehrer der
französischen Sprache und Literatur an der neubegründeten polytechnischen
Schule und der Kriegsschule und starb Ende der 50er Jahre in Karlsruhe.
3 Karl Friedrich Rinck (1786—1851), ein Sohn jenes Dekans Christoph
Friedrich R., der uns eine anschauliche, kulturgeschichtlich wertvolle Schil-
derung einer mit Unterstützung des Markgrafen Karl Friedrich unternommenen
Studienreise hinterlassen hat, als Theologe in Heidelberg Schüler Marheineckes
ünd Daubs, hatte, nach kurzer Tätigkeit im Kirchendienst, schon einmal (1810
Karl Obser:
Eröffnung des Landtages durch meinen Vater.1 Es war damals
noch Sitte, daß der Großherzog sich zu Pferde, umgeben von
seinen Brüdern und einem großen Stabe, in das Ständehaus
begab. Die Garnison bildete dabei auf dem ganzen Wege Spalier,
und zwar stand gegenüber dem Ständehaus das Gardebataillon,
welches bei diesem Anlaß noch die alte, einige Zeit darauf
abgeschaffte silbergestickte Uniform trug. Meine Mutter und wir
Kinder sahen dem feierlichen Aufzug aus den Fenstern des
Ständehauses zu und wohnten dann dem Eröffnungsakte in der
zweiten Ständekammer seihst bei. Die große Teilnahme der
gesamten Bevölkerung an der Feier machte einen tiefen Eindruck
auf uns; noch mehr aber wirkte auf unsere Phantasie das
militärische Schauspiel mit all seinem Glanz und seinen Farben,
so daß von da ab auf den Wunschzetteln für Geburtstage oder
Weihnachten immer Waffen- und Uniformstücke obenan standen.
Für mich persönlich brachte die Übersiedlung in das Schloß
die wichtige Wendung, daß ich dem Erzieher meines Bruders
Ludwig, Dr. Rinck, unterstellt wurde und in dessen männliche
Obhut überging. Von da ab wurden wir beide gemeinsam er-
zogen und unterrichtet, zu welch letzterem Zwecke bald auch
einige Privatlehrer bestellt wurden. Die französische Sprache
erlernten wir in der ersten Kindheit fast, gleichzeitig mit der
Muttersprache, so daß späterhin nur noch grammatikalischer
Unterricht erforderlich war. Und diesen erteilte uns nahezu
zehn Jahre hindurch ein emigrierter Franzose, Professor Demous-
tier, welcher in früheren Jahren Sekretär des Herzogs de la
Tremouille war und uns während der Lektionen manches Lehr-
reiche aus seinen wechselvollen Lebensschicksalen erzählte.2
Späterhin führte er uns auch in die klassische französische
Literatur ein; wir haben dem braven Manne stets ein dankbares
Andenken bewahrt. Dr. Rinck3, unser Erzieher, war evange-
1 Die Beisetzung in der Stadtkirche erfolgte am 3. April 1830, der Land-
tag wurde am 16. März 1831 eröffnet.
1 Anton Theodor Demoustier, geh. 1778; er war vorzüglich Lehrer der
französischen Sprache und Literatur an der neubegründeten polytechnischen
Schule und der Kriegsschule und starb Ende der 50er Jahre in Karlsruhe.
3 Karl Friedrich Rinck (1786—1851), ein Sohn jenes Dekans Christoph
Friedrich R., der uns eine anschauliche, kulturgeschichtlich wertvolle Schil-
derung einer mit Unterstützung des Markgrafen Karl Friedrich unternommenen
Studienreise hinterlassen hat, als Theologe in Heidelberg Schüler Marheineckes
ünd Daubs, hatte, nach kurzer Tätigkeit im Kirchendienst, schon einmal (1810