Jugenderinnerungen Großherzog Friedrichs I. von Baden.
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lischer Theologe und als Pfarrkandidat mehrere Jahre in Tätig-
keit gewesen. Er wurde zuerst von meiner Großmutter, der
Königin von Schweden, zum Erzieher ihres Sohnes, des Prinzen
Wasa, berufen, welchem er auch mehrere Jahre hindurch neben
dem formalen Gouverneur, dem Grafen Polier, beinahe sämt-
lichen Unterricht erteilte. Als der Prinz dann in österreichische
Dienste trat, wurde Dr. Rinck als Hauslehrer in unsere Familie
berufen. Er unterrichtete uns in den meisten Fächern selbst
und lehrte auch meiner älteren Schwester Geschichte und
deutsche Literatur; dabei verstand er in seinem Benehmen gegen
uns Strenge und Gerechtigkeit so vortrefflich zu vereinigen, daß
wir zu ihm, wenn wir ihn auch fürchteten, doch großes Ver-
trauen hatten.
Durch den Regierungsantritt meines Vaters war dessen Zeit
natürlich derart in Anspruch genommen, daß das innige Zu-
sammenleben der vorhergehenden Jahre wesentlich beeinträchtigt
wurde. So waren es hauptsächlich nur die Abende, an welchen wir
noch länger mit unseren Eltern Zusammensein konnten. Manch-
mal fand sich indessen mein Vater auch bei unserem Untericht
ein und zwar besonders gern bei der dreimal wöchentlich des
Abends stattfindenden Tanzstunde, welche uns Kindern dadurch
vor allen lieb wurde. Nach der Tanzstunde durften wir dann
jeweils zu unserer Mutter hinunter gehen, gewöhnlich zwischen
7 und 8 Uhr abends, und darauf gab es Abendbrot und ging
es zu Bett.
Die Tageseinteilung meiner Eltern war so geregelt, daß mein
Vater im Frühjahr und Sommer früh ausging und bei gutem
bis 1818) als Erzieher des Prinzen Gustav Wasa und seiner Schwester Sophie,
der späteren Gemahlin Großherzog Leopolds, in Karlsruhe gewirkt und An-
erkennung gefunden. Dann war ihm das Amt eines Bibliothekars an der Großh.
Hof- und Landesbibliothek übertragen worden, in welchem er '■ sich auch schrift-
stellerisch durch eine Reihe meist theologischer Abhandlungen betätigte, bis
die Großherzogin dem ehemaligen Lehrer in dankbarer Erinnerung auch die
Erziehung ihrer ältesten Söhne anvertraute. Seine 1850 anonym erschienenen
„Briefe über Fürstenerziehung“ lassen in ihm einen Mann von vielseitiger Bil-
dung und Erfahrung, von gesunden pädagogischen Anschauungen, von sitt-
lichem Ernst und freimütiger Gesinnung' erkennen. Nicht minder auch ' die
beiden im Großh. Familienarchiv überlieferten Denkschriften aus dem Jahre
1834 über die „Erziehung eines großherz, badischen Erbfürsten“ und den „Wir-
kungskreis des Erziehers“, in denen er sich über seine Aufgabe ausspricht und
sein Erziehungs- und Unterriobtsprogramm entwickelt. — Vgl. auch Neuer
Nekrolog der Deutschen, Jahrg. 1851, S. 1168—1178.
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lischer Theologe und als Pfarrkandidat mehrere Jahre in Tätig-
keit gewesen. Er wurde zuerst von meiner Großmutter, der
Königin von Schweden, zum Erzieher ihres Sohnes, des Prinzen
Wasa, berufen, welchem er auch mehrere Jahre hindurch neben
dem formalen Gouverneur, dem Grafen Polier, beinahe sämt-
lichen Unterricht erteilte. Als der Prinz dann in österreichische
Dienste trat, wurde Dr. Rinck als Hauslehrer in unsere Familie
berufen. Er unterrichtete uns in den meisten Fächern selbst
und lehrte auch meiner älteren Schwester Geschichte und
deutsche Literatur; dabei verstand er in seinem Benehmen gegen
uns Strenge und Gerechtigkeit so vortrefflich zu vereinigen, daß
wir zu ihm, wenn wir ihn auch fürchteten, doch großes Ver-
trauen hatten.
Durch den Regierungsantritt meines Vaters war dessen Zeit
natürlich derart in Anspruch genommen, daß das innige Zu-
sammenleben der vorhergehenden Jahre wesentlich beeinträchtigt
wurde. So waren es hauptsächlich nur die Abende, an welchen wir
noch länger mit unseren Eltern Zusammensein konnten. Manch-
mal fand sich indessen mein Vater auch bei unserem Untericht
ein und zwar besonders gern bei der dreimal wöchentlich des
Abends stattfindenden Tanzstunde, welche uns Kindern dadurch
vor allen lieb wurde. Nach der Tanzstunde durften wir dann
jeweils zu unserer Mutter hinunter gehen, gewöhnlich zwischen
7 und 8 Uhr abends, und darauf gab es Abendbrot und ging
es zu Bett.
Die Tageseinteilung meiner Eltern war so geregelt, daß mein
Vater im Frühjahr und Sommer früh ausging und bei gutem
bis 1818) als Erzieher des Prinzen Gustav Wasa und seiner Schwester Sophie,
der späteren Gemahlin Großherzog Leopolds, in Karlsruhe gewirkt und An-
erkennung gefunden. Dann war ihm das Amt eines Bibliothekars an der Großh.
Hof- und Landesbibliothek übertragen worden, in welchem er '■ sich auch schrift-
stellerisch durch eine Reihe meist theologischer Abhandlungen betätigte, bis
die Großherzogin dem ehemaligen Lehrer in dankbarer Erinnerung auch die
Erziehung ihrer ältesten Söhne anvertraute. Seine 1850 anonym erschienenen
„Briefe über Fürstenerziehung“ lassen in ihm einen Mann von vielseitiger Bil-
dung und Erfahrung, von gesunden pädagogischen Anschauungen, von sitt-
lichem Ernst und freimütiger Gesinnung' erkennen. Nicht minder auch ' die
beiden im Großh. Familienarchiv überlieferten Denkschriften aus dem Jahre
1834 über die „Erziehung eines großherz, badischen Erbfürsten“ und den „Wir-
kungskreis des Erziehers“, in denen er sich über seine Aufgabe ausspricht und
sein Erziehungs- und Unterriobtsprogramm entwickelt. — Vgl. auch Neuer
Nekrolog der Deutschen, Jahrg. 1851, S. 1168—1178.