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Karl Obser:
gelang sie ihm indessen nicht, und er wurde gerade in radikalen
Kreisen um seiner Handlungsweise willen scharf angegriffen.
Ich enthalte mich hier eines weiteren Urteils über die junge
Kronprinzessin, da ich die Fürstin erst später genauer kennen
lernte und daher noch Gelegenheit haben werde, mich über sie
und ihren Gemahl näher zu äußernd Nur das eine will ich
anführen, daß sie mich mit großer Auszeichnung behandelte
und sowohl durch ihre überraschende Schönheit wie auch durch
ihren fein gebildeten Geist einen tiefen Eindruck auf mich machte.
Ich nahm denn auch die Überzeugung mit, daß das junge Paar
sich gut verstehe und glücklich sei, und daß der Kronprinz
nunmehr vieles in seiner inneren Entwicklung und Charakter
bildung nachholen werde, was hei seiner Erziehung bisher ver-
absäumt worden war.
Unter den Personen, mit denen ich in Stuttgart bekannt
wurde, befanden sich auch die beiden Söhne des vormaligen
Königs .Teröme von Westfalen, eines Schwagers des Königs
Wilhelm. Der König hatte diese seine beiden Neffen nach dem
Tode seiner Schwester quasi adoptiert und für ihre Ausbildung
Sorge getragen; sie waren beide in würtfembergischen Militär-
dienst getreten und damals Subalternoffiziere. Der König übte
ihnen gegenüber große Nachsicht, bezahlte jährlich für sie be-
trächtliche Schulden und ließ ihnen mancherlei, was öffentlich
verurteilt wurde, durchgehen, so daß sie sozial keine günstige
Stellung einnahinen. Beide waren indessen begabt und standen
dem König persönlich sehr nahe. Mit ihrer Führung war an-
fangs der spätere Kriegsminister v. Miller beauftragt; er hatte
aber soviel Arbeit mit ihnen, daß er bald bat, ihm einen Nach-
folger zu geben. Der König berief hierzu den Major v. Wieder-
hold, der sich nun bemühte, sie als Generalstabsoffiziere aus-
zubilden und hierbei auch ziemlichen Erfolg hatte. Die Prinzen
trugen den Namen der Grafen v. Möntfort; der ältere, Teröme,
ging bald darauf nach Italien, wo er starb, der jüngere, Napoleon,
blieb in Stuttgart, bis sein Vetter, der Prinz Louis Bonaparte,
zum Präsidenten der französischen Republik gewählt wurde.
Am 29. September traf ich von Stuttgart wieder in Karls-
ruhe ein und fand dort die Lage insofern verändert, als die
meinen Bruder behandelnden Ärzte mit der Nachwirkung der
1 Im folgenden ist davon nicht die Rede. Man ersieht aus der Bemerkung,
daß der Großherzog seine Aufzeichnungen weiterzuführen beabsichtigte.
Karl Obser:
gelang sie ihm indessen nicht, und er wurde gerade in radikalen
Kreisen um seiner Handlungsweise willen scharf angegriffen.
Ich enthalte mich hier eines weiteren Urteils über die junge
Kronprinzessin, da ich die Fürstin erst später genauer kennen
lernte und daher noch Gelegenheit haben werde, mich über sie
und ihren Gemahl näher zu äußernd Nur das eine will ich
anführen, daß sie mich mit großer Auszeichnung behandelte
und sowohl durch ihre überraschende Schönheit wie auch durch
ihren fein gebildeten Geist einen tiefen Eindruck auf mich machte.
Ich nahm denn auch die Überzeugung mit, daß das junge Paar
sich gut verstehe und glücklich sei, und daß der Kronprinz
nunmehr vieles in seiner inneren Entwicklung und Charakter
bildung nachholen werde, was hei seiner Erziehung bisher ver-
absäumt worden war.
Unter den Personen, mit denen ich in Stuttgart bekannt
wurde, befanden sich auch die beiden Söhne des vormaligen
Königs .Teröme von Westfalen, eines Schwagers des Königs
Wilhelm. Der König hatte diese seine beiden Neffen nach dem
Tode seiner Schwester quasi adoptiert und für ihre Ausbildung
Sorge getragen; sie waren beide in würtfembergischen Militär-
dienst getreten und damals Subalternoffiziere. Der König übte
ihnen gegenüber große Nachsicht, bezahlte jährlich für sie be-
trächtliche Schulden und ließ ihnen mancherlei, was öffentlich
verurteilt wurde, durchgehen, so daß sie sozial keine günstige
Stellung einnahinen. Beide waren indessen begabt und standen
dem König persönlich sehr nahe. Mit ihrer Führung war an-
fangs der spätere Kriegsminister v. Miller beauftragt; er hatte
aber soviel Arbeit mit ihnen, daß er bald bat, ihm einen Nach-
folger zu geben. Der König berief hierzu den Major v. Wieder-
hold, der sich nun bemühte, sie als Generalstabsoffiziere aus-
zubilden und hierbei auch ziemlichen Erfolg hatte. Die Prinzen
trugen den Namen der Grafen v. Möntfort; der ältere, Teröme,
ging bald darauf nach Italien, wo er starb, der jüngere, Napoleon,
blieb in Stuttgart, bis sein Vetter, der Prinz Louis Bonaparte,
zum Präsidenten der französischen Republik gewählt wurde.
Am 29. September traf ich von Stuttgart wieder in Karls-
ruhe ein und fand dort die Lage insofern verändert, als die
meinen Bruder behandelnden Ärzte mit der Nachwirkung der
1 Im folgenden ist davon nicht die Rede. Man ersieht aus der Bemerkung,
daß der Großherzog seine Aufzeichnungen weiterzuführen beabsichtigte.