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Friedrich; Obser, Karl [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 1. Abhandlung): Jugenderinnerungen Großherzog Friedrichs I. von Baden: 1826 - 1847 — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37792#0146
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122

Karl übser:

Ich selbst habe in diesem Wiinter wie bisher dem mili-
tärischen Dienste obgelegen. Zugleich war ich aber auch be-
müht, mich in den politischen Verhältnissen des Landes zu
orientieren und verkehrte deshalb viel mit den verschiedensten
Kreisen der Bevölkerung, vor allem mit den Abgeordneten beider
Kammern und mit den Ministern.
Die Lage hatte sich in den letzten Jahren sehr wesentlich
verändert. An die Stelle des Ministers v. Blittersdorf, welcher
über dem sogenannten Urlaubsstreit seine Stellung eingebüßt
hatte1, war der Bundestagsgesandte v. Dusch als Minister des
Hauses und des Auswärtigen getreten.
Die mehr und mehr erstarkende nationale Bewegung hatte
eine Scheidung der Anschauungen in weiten Kreisen hervor-
gerufen. Von seiten der liberalen Parteien wurden die verfas-
sungsrechtlichen Fragen in einer Weise behandelt, welche den
Boden für eine allgemeine deutsche Gesetzgebung vorbereiten
ein Ende gemacht werden. Der Schritt verfehlte seine Wirkung nicht, Roller
erhielt freiere Hand, wenngleich man sich zu einer Anstaltsbehandlung, auf
die er immer von neuem drängte, nicht entschließen konnte. Fernerhin trat eine
leichte Besserung ein, die Stimmung des Kranken und sein Selbstvertrauen hob
sich. Noch im Dezember erklärten Roller und Hergt eine Heilung nicht für
ausgeschlossen, wenigstens liege bis zur Stunde noch „kein Zeichen der Un-
heiltarkeit“ vor. Aber die stürmischen Zeiten von 1848/49 wurden auch für den
Erlgroßherzog zum Verhängnis; sie zwangen ihn, sein stilles Asyl in Aubach
zu verlassen, er lebte bald in Lauterburg, bald in Ostende und Coblenz und
kehrte erst nach der Unterdrückung des Aufstandes nach Karlsruhe zurück,
wo die Ärzte in einem Gutachten vom Dezember 1849 bald eine wesentliche
Verschlimmerung des Leidens feststellten. Ihrem wiederholten Anträge auf
Überführung nach der Illenau, wo dem Kranken wenigstens „eine leidliche,
minder peinliche Existenz“ geboten werden könne, wurde auch diesmal nicht
entsprochen. Er verblieb auch nach1 des Vaters 'Tod, als infolge seiner Re-
gierungsunfähigkeit die Regentschaft auf Antrag der Mutter und der männlichen
Agnaten auf den Prinzen Friedrich überging, in Karlsruhe, wo er, umgeben
von brüderlicher Fürsorge und gepflegt von seinem treuen Arzte Dr. Zandt,
das einsame Schlößchen im Erbprinzengarten bewohnte, körperlich und geistig
langsam dahinsiechend, bis am 22. Januar 1858 sein Leben verlosch, — „cette
pauvre vie pleine d’infortune et de souffrances“, wie es Großherzog Friedrich
in wehmütigem Gedenken damals bezeichnet hat. (An Großherzogin Stephanie,
11. Februar 1858.)
1 Blittersdorff war schon im November 1843 zurückgetreten, seine Ent-
lassung als Bundestagsgesandter erfolgte dm März 1848. Die näheren Aus-
führungen, die der Großherzog über die Ursachen seines Rücktrittes gibt, über-
gehe ich hier, da sie mehrfach auf Gedächtnistäjuschung beruhen und dem
wirklichen Zusammenhang der Dinge nicht entsprechen.
 
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