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O. Gradenwitz:
König von Sachsen, an den Bismarck schon von Friedrichsruh aus
geschrieben, hat erst in den letzten Tagen des Juni geantwortet.
Daß der Oberstallmeister von der am 18. in der Zeitung veröffent-
lichten Absicht des Regenten, am 21. die Herzogin von Modena
zu besuchen, einige Tage vor dem 22. nichts gewußt hat, ist schwer
anzunehmen; hat er es aber gewußt, so kann er nicht eine Bitte
(es sei denn, sie wäre eine höfische Form gewesen) um Audienz
vorgetragen, er muß eine andere Mitteilung zu der Sache ge-
macht haben. — Der Fürst fährt bei dem einzigen anwesenden
Sohn des Regenten vor und dieser erwidert den Besuch in großer
Uniform. (Nr. 56k) Aber ein kleines Nachspiel des Münchener Aufent-
haltes hilft zu einer pikanten Nuance bei der sonst glatt sich ab-
spielenden prinzlichen Abstinenz: der Fürst von Bulgarien, der,
bei seinem Schwager, dem Herzog Max Emanuel in Bayern,
wohnte, sprach dem Fürsten den Wunsch aus, ihn zu besuchen,
als Fürst Bismarck im Begriff war, auszufahren; der Fürst fuhr
daher seinerseits bei dem Prinzen vor und unterhielt sich mit dem-
selben; hiefür machte Herzog Max Emanuel, ein Prinz von Geblüt,
dem Preußischen Militärattache, Hauptmann von Pritzelwitz, einen
aufklärenden Besuch. Zugunsten von Max Emanuel muß ange-
nommen werden, er habe, als er ,,sofort klarstellen“ wollte, ,,daß
er in keiner Weise geneigt ist, seinem Schwager zu politischen
Machinationen irgend welcher Art behilflich zu sein“, an die Bul-
garischen Interessen der Großmächte, und nicht an die Differenzen
der Reichsregierung mit dem Reichsgründer gedacht. — Eine
sympathische und rührende Figur macht in diesem Spiel der greise
Prinz-Regent: er hat den patriarchalischen Gedanken, dem Fürsten
Bismarck unter der Hand mitteilen zu lassen, daß Ihm unter
obwaltenden Umständen sein Besuch in München peinlich sei —
gewissermaßen vertrauensvoll ihm zu sagen, er solle ihm das nicht
antun; der Minister geht darauf ein und bittet zunächst Graf
Eulenburg, diese fatale Mitteilung zu übernehmen; doch hält
dieser dafür den bayrischen Gesandten in Berlin, Graf Lerchenfeld,
für zuständig. Man erinnert sich, welch schweren Tadel Gortscha-
koff (G, u. E. 2, S. 173) von Bismarck erfuhr, weil er die preu-
ßischen Vertreter in Petersburg zur Vermittlung von russischen
Anliegen mißbrauche, da doch der russische Botschafter in Berlin
für Zwecke dieser Art angestellt war. Im vorliegenden Fall handelt
es sich allerdings um eine bayrische Angelegenheit, aber doch um eine
solche, die aus Gründen des preußischen Interesses entsteht, und
O. Gradenwitz:
König von Sachsen, an den Bismarck schon von Friedrichsruh aus
geschrieben, hat erst in den letzten Tagen des Juni geantwortet.
Daß der Oberstallmeister von der am 18. in der Zeitung veröffent-
lichten Absicht des Regenten, am 21. die Herzogin von Modena
zu besuchen, einige Tage vor dem 22. nichts gewußt hat, ist schwer
anzunehmen; hat er es aber gewußt, so kann er nicht eine Bitte
(es sei denn, sie wäre eine höfische Form gewesen) um Audienz
vorgetragen, er muß eine andere Mitteilung zu der Sache ge-
macht haben. — Der Fürst fährt bei dem einzigen anwesenden
Sohn des Regenten vor und dieser erwidert den Besuch in großer
Uniform. (Nr. 56k) Aber ein kleines Nachspiel des Münchener Aufent-
haltes hilft zu einer pikanten Nuance bei der sonst glatt sich ab-
spielenden prinzlichen Abstinenz: der Fürst von Bulgarien, der,
bei seinem Schwager, dem Herzog Max Emanuel in Bayern,
wohnte, sprach dem Fürsten den Wunsch aus, ihn zu besuchen,
als Fürst Bismarck im Begriff war, auszufahren; der Fürst fuhr
daher seinerseits bei dem Prinzen vor und unterhielt sich mit dem-
selben; hiefür machte Herzog Max Emanuel, ein Prinz von Geblüt,
dem Preußischen Militärattache, Hauptmann von Pritzelwitz, einen
aufklärenden Besuch. Zugunsten von Max Emanuel muß ange-
nommen werden, er habe, als er ,,sofort klarstellen“ wollte, ,,daß
er in keiner Weise geneigt ist, seinem Schwager zu politischen
Machinationen irgend welcher Art behilflich zu sein“, an die Bul-
garischen Interessen der Großmächte, und nicht an die Differenzen
der Reichsregierung mit dem Reichsgründer gedacht. — Eine
sympathische und rührende Figur macht in diesem Spiel der greise
Prinz-Regent: er hat den patriarchalischen Gedanken, dem Fürsten
Bismarck unter der Hand mitteilen zu lassen, daß Ihm unter
obwaltenden Umständen sein Besuch in München peinlich sei —
gewissermaßen vertrauensvoll ihm zu sagen, er solle ihm das nicht
antun; der Minister geht darauf ein und bittet zunächst Graf
Eulenburg, diese fatale Mitteilung zu übernehmen; doch hält
dieser dafür den bayrischen Gesandten in Berlin, Graf Lerchenfeld,
für zuständig. Man erinnert sich, welch schweren Tadel Gortscha-
koff (G, u. E. 2, S. 173) von Bismarck erfuhr, weil er die preu-
ßischen Vertreter in Petersburg zur Vermittlung von russischen
Anliegen mißbrauche, da doch der russische Botschafter in Berlin
für Zwecke dieser Art angestellt war. Im vorliegenden Fall handelt
es sich allerdings um eine bayrische Angelegenheit, aber doch um eine
solche, die aus Gründen des preußischen Interesses entsteht, und