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Oncken, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 2. Abhandlung): Die Utopia des Thomas Morus und das Machtproblem in der Staatslehre: Vortrag, gehalten in der Gesamtsitzung der Akademie am 4. Februar 1922 — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38035#0005
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Die Utopia des Thomas Morus.

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gangspunkt wird sie die Aufgaben des Staates verschieden bestim-
men, zum Beispiel den Umfang seiner Zwangsgewalt gegenüber dem
Individuum enger oder weiter zu ziehen suchen, aber sie wird unter
allen Umständen den höchsten Wert darauf legen, normative Auf-
stellungen über die innere staatliche Lebensgemeinschaft zu gewin-
nen. Zu diesem Zwecke wird der Staat als solcher aufgesucht und
als eine isolierte Erscheinung betrachtet, etwa in derselben Weise
und mit demselben Rechte, wie die Naturwissenschaft das Objekt
ihres Erkennens, ein Organ oder eine Pflanze, zunächst einmal iso-
liert, um es ihrer Untersuchung zu unterwerfen.
Damit aber wird der Staat so gesehen, wie tatsächlich keiner
von ihnen existiert. Denn jeder von ihnen lebt nicht isoliert, son-
dern als Staat unter Staaten, also in einem Verhältnis, das, wie die
Geschichte der Vergangenheit und der unmittelbaren Gegenwart
lehrt, von außen her in den einzelnen Staat und in die innere Lebens-
gemeinschaft seiner Glieder auf das Tiefste eingreift. Dieses Ver-
hältnis ist aber nicht allein an sich von höchst komplizierter Natur,
sondern es ist auch für jeden konkreten Staat sehr verschieden zu
bestimmen: es widerstrebt somit der Einordnung unter durch-
greifende und allgemeingültige Normen.
Hier eröffnet sich eine Prinzipienfrage von außerordentlicher
Tragweite. Die Staatslehre kann nicht leugnen, daß von der aus-
wärtigen Sphäre und dem in ihr herrschenden Gesetz der Macht
eine entscheidende Einwirkung in die vorzugsweise von ihr behan-
delten inneren Lebensprobleme des Staates ausgeht, aber sie sieht
sich, was zuweilen mit einer gewissen Verlegenheit festgestellt wird,
einer Art von Irregularität gegenüber, die ihre Kreise stört. Sie
wird einmal in ihrer Richtung auf die allgemeingültige Abstraktion
dadurch abgelenkt, daß diese äußeren Bedingungen etwas Einmali-
ges und so nicht Wiederkehrendes, etwas höchst Individuelles ent-
halten: etwas das zu seiner Aufhellung auch einer anderen wissen-
schaftlichen Methode bedarf und im Grunde nur mit historischen
Erkenntnismitteln bewältigt werden kann. Sodann aber läßt sich
mit den ethischen Voraussetzungen und den rationalen Aufrissen
der Staatslehre der Begriff der Macht, der in der äußern Sphäre
eine überwiegende Geltung hat, als etwas anscheinend Irrationales
oder gar Unethisches nur unter Schwierigkeiten zusammenbringen:
ein Dualismus der Betrachtungsweise droht in die Prinzipien über-
zugreifen. So erklärt es sich, daß mehr als eine Staatslehre diese
Fragen leichthin übergeht oder als fremdartig bewußt von sich ab-
 
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