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Gerhard Ritter:
dadurch nahegelegt, daß er sich im wesentlichen auf logische
Schriften und auf Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts beschränkte;
weiterhin aber durch die unverhüllte, urwüchsige Abneigung ‘des
modernen Rationalisten gegen die Scholastik überhaupt und gegen
die Nachrichten aus thomistischer Quelle insbesondere. Hegte er
doch gegen die Thomisten des 15. Jahrhunderts, die er als die
,,geborenen Vorläufer der Jesuiten“ betrachtete und die ihm
,,einen unheimlichen und widerlichen Eindruck“1 machten, das
stärkste Mißtrauen: jede Art von Perfidie und Verdrehung in der
Berichterstattung über die Lehre ihrer (in der Lösung der ratio
aus den Fesseln des irrationalen Dogmas weiter fortgeschrittenen)
Gegner traute er ihnen zu. Die Quellen mochten noch so eindeutig
als Differenzpunkt der beiden Schulrichtungen wesentlich die
Universalienfrage bezeichnen: Prantl war stets geneigt, in solchen
Angaben „perfide Entstellung“ thomistischer Autoren zu wittern,
die ihre Hand überall da im Spiele haben sollten, wo der (häufig
ganz unbefangen gebrauchte) „alte Ketzername“ nominales für die
„Terministen“ okkamistischer Richtung auftauchte. Das hing mit
seiner Auffassung Okkams zusammen.
Es war Prantls Entdeckung, daß der Ausbau der „byzantini-
schen“ Logik des „Terminismus“ als „grundsätzlicher Basis“ des ge-
samten philosophischen Systems die wichtigste philosophische Neu-
erung Okkams gewesen sei2. Die Umgestaltung der Logik durch
diese neue Lehre, die den Begriff (terminus) an Stelle des Urteils in den
Mittelpunkt der Betrachtung rückte, erschien dem Historiker der
Logik in ihren philosophischenWirkungen so wichtig, daß ihm darüber
die sonstigen prinzipiellen Neuerungen des Okkamismus zu sekun-
dären Erscheinungen wurden. Galten bis dahin als die wichtigsten
Merkmale dieser Schule ihre erkenntnistheoretische Grundstellung:
die Erneuerung des Nominalismus, die damit zusammenhängende
kritische Haltung gegenüber der Tragweite metaphysischer Er-
kenntnisse und die innere Loslösung der theologischen von der
philosophischen Spekulation, so leugnete auch Prantl diese Tat-
sachen nicht; aber, seine ausgedehnte Beschäftigung mit der logi-
schen Compendienliteratur des 14. und 15. Jahrhunderts führte
ihn dazu, als wichtigstes Merkmal der nachokkamistischen Epoche
nicht die Beantwortung jener erkenntnistheoretischen und onto-
logischen Fragen, sondern den immer üppigeren Ausbau der „ter-
ministischen Logik“ zu betrachten, .deren Ursprung aus dem Ein-
2 III, 328.
1 IV, 193, N. 84.
Gerhard Ritter:
dadurch nahegelegt, daß er sich im wesentlichen auf logische
Schriften und auf Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts beschränkte;
weiterhin aber durch die unverhüllte, urwüchsige Abneigung ‘des
modernen Rationalisten gegen die Scholastik überhaupt und gegen
die Nachrichten aus thomistischer Quelle insbesondere. Hegte er
doch gegen die Thomisten des 15. Jahrhunderts, die er als die
,,geborenen Vorläufer der Jesuiten“ betrachtete und die ihm
,,einen unheimlichen und widerlichen Eindruck“1 machten, das
stärkste Mißtrauen: jede Art von Perfidie und Verdrehung in der
Berichterstattung über die Lehre ihrer (in der Lösung der ratio
aus den Fesseln des irrationalen Dogmas weiter fortgeschrittenen)
Gegner traute er ihnen zu. Die Quellen mochten noch so eindeutig
als Differenzpunkt der beiden Schulrichtungen wesentlich die
Universalienfrage bezeichnen: Prantl war stets geneigt, in solchen
Angaben „perfide Entstellung“ thomistischer Autoren zu wittern,
die ihre Hand überall da im Spiele haben sollten, wo der (häufig
ganz unbefangen gebrauchte) „alte Ketzername“ nominales für die
„Terministen“ okkamistischer Richtung auftauchte. Das hing mit
seiner Auffassung Okkams zusammen.
Es war Prantls Entdeckung, daß der Ausbau der „byzantini-
schen“ Logik des „Terminismus“ als „grundsätzlicher Basis“ des ge-
samten philosophischen Systems die wichtigste philosophische Neu-
erung Okkams gewesen sei2. Die Umgestaltung der Logik durch
diese neue Lehre, die den Begriff (terminus) an Stelle des Urteils in den
Mittelpunkt der Betrachtung rückte, erschien dem Historiker der
Logik in ihren philosophischenWirkungen so wichtig, daß ihm darüber
die sonstigen prinzipiellen Neuerungen des Okkamismus zu sekun-
dären Erscheinungen wurden. Galten bis dahin als die wichtigsten
Merkmale dieser Schule ihre erkenntnistheoretische Grundstellung:
die Erneuerung des Nominalismus, die damit zusammenhängende
kritische Haltung gegenüber der Tragweite metaphysischer Er-
kenntnisse und die innere Loslösung der theologischen von der
philosophischen Spekulation, so leugnete auch Prantl diese Tat-
sachen nicht; aber, seine ausgedehnte Beschäftigung mit der logi-
schen Compendienliteratur des 14. und 15. Jahrhunderts führte
ihn dazu, als wichtigstes Merkmal der nachokkamistischen Epoche
nicht die Beantwortung jener erkenntnistheoretischen und onto-
logischen Fragen, sondern den immer üppigeren Ausbau der „ter-
ministischen Logik“ zu betrachten, .deren Ursprung aus dem Ein-
2 III, 328.
1 IV, 193, N. 84.