Gerhard Ritter:
jene Teile der Logik höher, welche eine Brücke zu den realen Wesen-
heiten darboten (also Universalien und Kategorien); hingegen die
moderni verweilten einseitig bei jenen Gruppen der Logik, welche
sich auf die Wortformen der Begriffe und auf die Eigenschaften
des Satzbaus beziehen. Eine abgeleitete(!) Folge dieser beider-
seitigen Lieblingsbeschäftigungen war es, daß die einen den Sprach-
ausdruck der Universalien, und die anderen den realen Inhalt der-
selben beiseite setzten“1. Also die moderni werden von Thomisten
und Skotisten wesentlich darum bekämpft, weil sie die meta-
physisch-ontologischen Disziplinen der Philosophie zugunsten der
lediglich ,,sermozinalen“ vernachlässigen. Gleichwohl erklärt es
Prantl für eine „perfide Verdrehung vom theologischen Stand-
punkt aus“, wenn die antiqui für diese Erscheinung den erkenntnis-
theoretischen Standpunkt ihrer Gegner, nämlich den „Nominalis-
mus“ verantwortlich machten. Der „pfäffische Haß“ der Thomi-
sten habe „nicht sehen und nicht hören wollen, daß die Termini-
sten . . . den ontologisch-metaphysischen Standpunkt wohl einem
andern Zweige der Philosophie zuschieben, darum aber noch lange
nicht schlechthin verneinen“2.
Das ist ein wichtiger Untersatz der Prantl sehen These, und
unsere Untersuchung der Metaphysik des Marsilius von Inghen3
hat uns bestätigt, daß es in der Tat vom Nominalismus der deut-
schen Okkamisten Brücken nicht nur zur erkenntnistheoretischen
Grundlegung der Naturphilosophie, sondern ebenso zur Metaphysik
hinüber gab. Gleichwohl hat die Prantl sehe These in gewissem
Sinne verhängnisvoll auf die spätere Forschung gewirkt. Zwar ist
die außerordentliche Bedeutung der nominalistischen Beant-
wortung des Universfalienproblems durch Okkam und der damit
zusammenhängenden Umgestaltung des Verhältnisses zwischen
Theologie und Metaphysik in den philosophiegeschichtlichen Dar-
stellungen m. W. nirgends verkannt worden. Wohl aber setzte sich
oft unter Vergröberung der Prantl sehen Auffassung — viel-
fach die Meinung fest, als ob die antiqui die echten und eigent-
lichen Vertreter „realer“ Wissenschaft im ausgehenden Mittelalter
gewesen seien, die Weisheit der „Modernen“ dagegen sich in
unfruchtbaren logisch-grammatischen Spitzfindigkeiten erschöpft
habe. Die ärgste Verzeichnung des wirklichen Sachverhalts
in dieser Richtung brachten die Studien des Kirchenhistorikers
Hermelink, dessen ältere Arbeiten unter einer gefährlichen Nei-
1 IV, 193. Ähnlich p. 148. 2 Ibidem. 3 Studie I, p. 111 ff.
jene Teile der Logik höher, welche eine Brücke zu den realen Wesen-
heiten darboten (also Universalien und Kategorien); hingegen die
moderni verweilten einseitig bei jenen Gruppen der Logik, welche
sich auf die Wortformen der Begriffe und auf die Eigenschaften
des Satzbaus beziehen. Eine abgeleitete(!) Folge dieser beider-
seitigen Lieblingsbeschäftigungen war es, daß die einen den Sprach-
ausdruck der Universalien, und die anderen den realen Inhalt der-
selben beiseite setzten“1. Also die moderni werden von Thomisten
und Skotisten wesentlich darum bekämpft, weil sie die meta-
physisch-ontologischen Disziplinen der Philosophie zugunsten der
lediglich ,,sermozinalen“ vernachlässigen. Gleichwohl erklärt es
Prantl für eine „perfide Verdrehung vom theologischen Stand-
punkt aus“, wenn die antiqui für diese Erscheinung den erkenntnis-
theoretischen Standpunkt ihrer Gegner, nämlich den „Nominalis-
mus“ verantwortlich machten. Der „pfäffische Haß“ der Thomi-
sten habe „nicht sehen und nicht hören wollen, daß die Termini-
sten . . . den ontologisch-metaphysischen Standpunkt wohl einem
andern Zweige der Philosophie zuschieben, darum aber noch lange
nicht schlechthin verneinen“2.
Das ist ein wichtiger Untersatz der Prantl sehen These, und
unsere Untersuchung der Metaphysik des Marsilius von Inghen3
hat uns bestätigt, daß es in der Tat vom Nominalismus der deut-
schen Okkamisten Brücken nicht nur zur erkenntnistheoretischen
Grundlegung der Naturphilosophie, sondern ebenso zur Metaphysik
hinüber gab. Gleichwohl hat die Prantl sehe These in gewissem
Sinne verhängnisvoll auf die spätere Forschung gewirkt. Zwar ist
die außerordentliche Bedeutung der nominalistischen Beant-
wortung des Universfalienproblems durch Okkam und der damit
zusammenhängenden Umgestaltung des Verhältnisses zwischen
Theologie und Metaphysik in den philosophiegeschichtlichen Dar-
stellungen m. W. nirgends verkannt worden. Wohl aber setzte sich
oft unter Vergröberung der Prantl sehen Auffassung — viel-
fach die Meinung fest, als ob die antiqui die echten und eigent-
lichen Vertreter „realer“ Wissenschaft im ausgehenden Mittelalter
gewesen seien, die Weisheit der „Modernen“ dagegen sich in
unfruchtbaren logisch-grammatischen Spitzfindigkeiten erschöpft
habe. Die ärgste Verzeichnung des wirklichen Sachverhalts
in dieser Richtung brachten die Studien des Kirchenhistorikers
Hermelink, dessen ältere Arbeiten unter einer gefährlichen Nei-
1 IV, 193. Ähnlich p. 148. 2 Ibidem. 3 Studie I, p. 111 ff.