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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0019
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Studien zur Spätscholastik. II.

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geschiclite zu bedauern; die in dem Hansen sehen Regestenwerk
neuerdings gesammelten Überreste geben für unsere Frage nicht
allzuviel her. Überhaupt bieten die Materialien aus Universitäts-
archiven meist nur dürftige äußerliche Notizen; der Inhalt des
Lehrunterschiedes wird kaum einmal angedeutet. Man muß schon,
wie es Prantl tat, in die beiderseitigen Lehrbücher und sonstigen
Schriften eindringen, um auf festen Grund zu kommen. Immerhin
läßt sich, wie mir scheint, auf diesem Wege und durch Ergänzung
des bisher Bekannten aus ungedruckten Heidelberger Quellen
(Heidelberg spielt ja in unserer Frage eine besonders wichtige
Rolle!) schon jetzt eine Art Entstehungsgeschichte des Schul-
streites statt einer bloßen Definition der Gegensätze zustande
bringen. Der Versuch dazu wird auf den folgenden Blättern unter-
nommen. Ist die Genesis und das Wesen des Schulgegensatzes
erst einmal klar gelegt, so mag die Schilderung seines Fortlebens
und Absterbens der Geschichte der einzelnen Hochschulen über-
lassen bleiben.

2. Kämpfe
um den Okkamismus an der Pariser Universität.
Über die Kämpfe der Pariser Universität gegen die philo-
sophischen und theologischen Neuerungen Okkams im 14. Jahr-
hundert stehen uns bisher nur vereinzelte, zufällig erhaltene Zeug-
nisse zur Verfügung. Die ältesten dieser Quellenstücke lassen so-
gleich eine doppelte Front der akademischen Körperschaften gegen-
über der neuen Lehre erkennen: die theologische Fakultät wehrt
sich gegen gewisse radikale Konsequenzen aus der antirationali-
stischen Gotteslehre Okkams, die artistische gegen eine sophistisch-
skeptische Ausnutzung seiner erkenntnistheoretischen Doktrin. Die
Verurteilung von 40 Thesen des Johann von Mirecourt aus dem
Jahre 13471 durch die Pariser Theologen wendet sich in der Haupt-
sache gegen eine ethisch bedenkliche Übertreibung des Gedankens der
unbegrenzten Willkür Gottes. Damit ist ein Motiv angeschlagen, das
wir noch 1473 in den Kämpfen der Pariser und Löwener Theologen
(s. u!) sich wiederholen hören: der alte Gegensatz zwischen rational-
spekulativer und irrational-ethischer Fassung der Gottesidee, Pri-
mat des Verstandes contra Primat des Willens — nur daß dieser
Gegensatz hier abnorm zugespitzt ist durch den extremen Radi-
1 Denifle, Chart. Univ. Paris. II, 1, p. 610 — 14. Literatur über Joli.
v. M. bei Überweg-Baumgartner II10.

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