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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0020
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Gerhard Ritter:

kalismus Johanns von Mirecourt, eines echt französischen Theologen.
Unsere Betrachtungen zur Theologie des Marsilius von Inghen
haben uns bereits gezeigt, daß dieser Radikalismus nicht als typisch
gelten darf für die okkamistische Schultheologie: in deren Bereich
gab es zahlreiche Vermittlungen zwischen der voluntaristischen und
intellektualistischen Doktrin. Wichtiger für unsere Frage sind
deshalb die Beschlüsse der Pariser Artistenfakultät von 1339 und
1340 gegen die okkamistische Logik.
Soweit diesen Beschlüssen eine nähere Begründung und Aus-
führung beigegeben ist1, läßt sich erkennen, was den Hauptanstoß
erregt: einige Magister üben an den Texten ihrer Vorlagen Kritik,
indem sie eine wörtliche (sermozinale) Bedeutung der Text-
worte von einer sachlichen unterscheiden. Vielfach werde dann
der „sermozinale“ Sinn der betreffenden Stelle als falsch erwiesen,
während doch die sachliche Meinung des Autors gar nicht zu miß-
deuten und unbezweifeibar richtig sei; der Sprachgebrauch (sermo)
besitze ja gar keine selbständige Bedeutung: nur auf den materiel-
len Inhalt des Textes komme es an; über den Sprachgebrauch
entscheide einfach die Absicht des Autors2. In andern Fällen wird
die Unterscheidung der verschiedenen Arten von „Supposition“
des terminus zu ähnlichen sophistischen Mißdeutungen des Autors
benutzt: z. B. wird ihm „personale Supposition“ (also unmittel-
bare Beziehung des Ausdrucks auf ein Einzelding) untergeschoben,
während er vielleicht ein ganz anderes Verhältnis von Ausdruck
und zugehöriger Sache im Sinne hatte; oder man leugnet die
Möglichkeit zu einer Distinktion verschiedener Beziehungen, in
denen ein Urteil stehen kann, indem man blos die nächstliegende
Bedeutung (sensus proprius) anerkennt und so das zu erklärende
Urteil absichtlich mißversteht. Das alles seien Sophistereien, die
sich gewaltsam an den Sprachausdruck klammern, statt sich an
die Sache zu halten; damit werde der Wahrheit nicht gedient: in
Wahrheit sei die Sache immer wichtiger als der Name dafür3.
1 Denifle, Chart. II, l, Nr. 1023 (1339, ohne nähere Ausführung);
Nr. 1042 (1340) ausführlicher. — Auszüge daraus bei Stöckl II 1036ff.,
K. Werner Gesch. des Thomismus 125f.
2 1. c. p. 505/6: Et guia sermo non habet virtutem, nisi ex impositione et
usu communi auctorum vel aliorum, ideo talis est virtus sermonis, qualiter eo
auctores utuntur et qualem exigit materia, cum sermones sint recipiendi penes
materiam subiectam.
3 Disputationes dyalectice et doctrinales, que ad inquisitionem veritatis
intendunt, modicam habent de nominibus sollicitudinem.
 
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