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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0039
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II. Via antiqua
und via moderna auf den deutschen Universitäten.
1. DieEntstehungdes Schulstreits.
Die erste bekannt gewordene Nachricht über einen Streit zwi-
schen „älterer“ und „neuerer“ Richtung der Schulphilosophie auf
deutschen Universitäten stammt aus Köln. Die dortige Universität
verwahrte sich im Jahre 1425 gegen eine ihr durch Vermittlung
des Rates (domini civitatis) zugegangene kurfürstliche Aufforderung,
an Stelle der bisher üblichen Methode {via) des Unterrichts nach
Thomas, Albert dem Großen und anderen „alten Doktoren“ von
jetzt ab den „neueren“ Autoritäten zu folgen, wie Buridan, Mar-
silius und ihren Genossen und Nachfolgern1. Jene Methode — so
hieß es in dem kurfürstlichen Schreiben — sei auf deutschen Hoch-
schulen nicht üblich, auch in Köln anfangs nicht befolgt worden;
sie übersteige die Fassungskraft der jungen Leute, und so führten
ihre mißverstandenen subtilia dicta et alta principia in den ver-
wirrten jugendlichen Köpfen leicht zu verderblichen Irrtümern,
wie das Beispiel von Prag lehren könne; die Prager Ketzereien
wären aus eben dieser Doktrin entsprungen. Dagegen hätten die
genannten neueren Lehrer eine schlichtere, verständlichere Aus-
drucksweise in die Schulphilosophie eingeführt, die zugleich jene
Mißverständnisse ausschließe2.
Wir haben hier das erste Beispiel einer Einmischung weltlicher
Obrigkeiten in die Substanz des wissenschaftlichen Lehrbetriebes in
Deutschland vor uns. Die Sache ist um so merkwürdiger, als es
sich nicht um eine Anweisung des Kölner Erzbischofs handelt, der
immerhin das geistliche Oberhaupt des Kölner Klerus (wenn auch
nicht der Patron der Universität) war, sondern (was die historische
Literatur, Prantl blindlings folgend, meist übersehen hat) um
eine Mahnung und Warnung „der deutschen Kurfürsten“ (im
1 Abdruck: Duplessis d’Argentre, Gollectio iudiciorum de novis errori-
bus, (Paris 1728) I, pars 2, p. 220 — 23. Auszug bei Prantl IV 148ff.
2 Doctrinam artium recLuxerunt ad alium stilum humiliorem et ad alios
terminos et modos legendi, ex quibus nullum derivari possit erroris contagium.
Da von doctrina artium die Rede ist, bezieht sich das Ganze also primär auf
die philosophische Disziplin, erst sekundär (derivando) auf die Theologie.
 
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