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Gerhard Ritter:
fige Zitate neuerer Autoritäten einzuflechten. Auch die Ansichten
des Buridan und Marsilius würden gern benutzt, um sie in den
Quästionen der Lehre der alten Meister gegenüberzustellen und so
die Materie noch besser zu erläutern. Ganz ähnlich sei übrigens die
Ordnung auf den anderen deutschen, italienischen, französischen
und englischen Universitäten: nirgends bestünde ein grundsätz-
liches Verbot, die neueren Autoren neben den alten heranzuziehen
— soweit sie nur mit Maßen (sobrie) und ohne Schmähung der
Gegenseite verwendet würden.
Das sind offenbar recht sophistische Ausflüchte, die den Kern
der Sache umgehen: die Frage nämlich, ob die via modernorum
auch als Grundlage des Unterrichts, nicht nur in Zitaten, in Köln
Gleichberechtigung genieße? Zweifellos war das nicht der Fall.
Die ältesten Statuten der Kölner Artisten hatten es freilich offen
gelassen, wenigstens die summula des Petrus Hispanus mit Be-
nützung Buridans zu traktieren1. Seit 1415 aber hatte sich die
Fakultät ganz eindeutig auf den bei ihr herkömmlichen modus
legendi (d. h. nach thomistisch-albertistischer Lehre) festgelegt,
unter ausdrücklichem Ausschluß der „ehemals verachteten, ver-
worfenen und abgeschafften, jetzt aber von gewissen Parisern
erneut eingeführten“ Methode der moderni2. (Offenbar war es
dieses Vorgehen der Kölner, das wenige Jahre später in Löwen
Nachahmung fand, als die Artistenfakultät der dortigen, eben erst
gegründeten Universität alle nominalistische Doktrin streng unter-
sagte3.) Man weiß darum nicht recht, was man von der weiteren
Versicherung der Kölner Magister halten soll: jeder Scholar könne
1 Bianco I, 64 und 71.
2 Quod modus legendi, doctrinandi et libros philosophi exponendi, qui ab
initio studii assumptus erat, deinceps servari deberet et quod nullus presumeret
illo modo derelicto alium modum de novo a quibusdam Parisiensibus introductum
et resumptum, quondam spretum, reprobatum et abolitum . . . inducere. Aus dem
üb. fac. art. I, fol. 58l3 mitget. von L. Korth, Annalen des histor. Yer. f. d.
Niederrhein 50, p. 68 (1890).
3 Gründung der Löwener Universität: 1425; schon 1427 verbot die
dortige Artistenfakultät die Lehren „des Buridan, Marsilius, Okkam und
ihrer Parteigenossen“; 1480 bestrafte sie einige ihrer Mitglieder wegen okka-
mistischer Interpretation des Aristoteles und schritt 1486 in ähnlicher Weise
gegen nominalistische Äußerungen eines Univ.-Angehörigen ein. — Vgl. La-
minne, Bull, de l’Acad. royale de Belgique, CI. des lettres 1906, p. 383/4 nach
Molanus, Iiist. Lovaniensium libri XVI, ed. de Ram, I, 582. Vgl. ferner:
H. de Jongh, L’ancienne faculte de theologie de Louvain 1432 — 1540, Löwen
1911 u, d. dort zitierte Literatur zur Löwener Universitätsgeschichte.
Gerhard Ritter:
fige Zitate neuerer Autoritäten einzuflechten. Auch die Ansichten
des Buridan und Marsilius würden gern benutzt, um sie in den
Quästionen der Lehre der alten Meister gegenüberzustellen und so
die Materie noch besser zu erläutern. Ganz ähnlich sei übrigens die
Ordnung auf den anderen deutschen, italienischen, französischen
und englischen Universitäten: nirgends bestünde ein grundsätz-
liches Verbot, die neueren Autoren neben den alten heranzuziehen
— soweit sie nur mit Maßen (sobrie) und ohne Schmähung der
Gegenseite verwendet würden.
Das sind offenbar recht sophistische Ausflüchte, die den Kern
der Sache umgehen: die Frage nämlich, ob die via modernorum
auch als Grundlage des Unterrichts, nicht nur in Zitaten, in Köln
Gleichberechtigung genieße? Zweifellos war das nicht der Fall.
Die ältesten Statuten der Kölner Artisten hatten es freilich offen
gelassen, wenigstens die summula des Petrus Hispanus mit Be-
nützung Buridans zu traktieren1. Seit 1415 aber hatte sich die
Fakultät ganz eindeutig auf den bei ihr herkömmlichen modus
legendi (d. h. nach thomistisch-albertistischer Lehre) festgelegt,
unter ausdrücklichem Ausschluß der „ehemals verachteten, ver-
worfenen und abgeschafften, jetzt aber von gewissen Parisern
erneut eingeführten“ Methode der moderni2. (Offenbar war es
dieses Vorgehen der Kölner, das wenige Jahre später in Löwen
Nachahmung fand, als die Artistenfakultät der dortigen, eben erst
gegründeten Universität alle nominalistische Doktrin streng unter-
sagte3.) Man weiß darum nicht recht, was man von der weiteren
Versicherung der Kölner Magister halten soll: jeder Scholar könne
1 Bianco I, 64 und 71.
2 Quod modus legendi, doctrinandi et libros philosophi exponendi, qui ab
initio studii assumptus erat, deinceps servari deberet et quod nullus presumeret
illo modo derelicto alium modum de novo a quibusdam Parisiensibus introductum
et resumptum, quondam spretum, reprobatum et abolitum . . . inducere. Aus dem
üb. fac. art. I, fol. 58l3 mitget. von L. Korth, Annalen des histor. Yer. f. d.
Niederrhein 50, p. 68 (1890).
3 Gründung der Löwener Universität: 1425; schon 1427 verbot die
dortige Artistenfakultät die Lehren „des Buridan, Marsilius, Okkam und
ihrer Parteigenossen“; 1480 bestrafte sie einige ihrer Mitglieder wegen okka-
mistischer Interpretation des Aristoteles und schritt 1486 in ähnlicher Weise
gegen nominalistische Äußerungen eines Univ.-Angehörigen ein. — Vgl. La-
minne, Bull, de l’Acad. royale de Belgique, CI. des lettres 1906, p. 383/4 nach
Molanus, Iiist. Lovaniensium libri XVI, ed. de Ram, I, 582. Vgl. ferner:
H. de Jongh, L’ancienne faculte de theologie de Louvain 1432 — 1540, Löwen
1911 u, d. dort zitierte Literatur zur Löwener Universitätsgeschichte.