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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0056
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56

Gerhard Ritter:

Schwierigkeiten ertragen wurden. Anderseits erscheinen aber die
antiqui von Anfang an als Kritiker des Herkommens, als aggressive
Reformer; und so hören wir schon früh von Reibungen und Gegen-
sätzen der Parteien.
Zum ersten Male im April 1444: also in demselben Jahre, in
dem die besprochene Disputation des Jodokus Aichmann statt-
fand und in dem Johannes Wenck zum zweiten Male Rektor war.
Eine ganze Anzahl ungenannter Magister bemühte sich damals, die
„Methode (Ga) der Alten“ einzuführen, und zwar „nicht nur die
des Thomas, sondern auch Alberts (des Großen)“1. Die Fakultät
lehnte die Zulassung ab und setzte eigens eine Kommission ein,
die auf Mittel und Wege zur Abwehr der Neuerung sinnen sollte.
Es erschien also offenbar recht schwierig, das Eindringen des ent-
schiedenen Thomismus in die Lehrvorträge der Magister zu verhin-
dern. In der Tat steckte wohl noch etwas anderes hinter dem Vorstoß
der Thomisten. Im selben Jahre war eine allgemeine Reform der
Universitätsstatuten im Gang — eine jener „Reformationen“, wie
sie immer von Zeit zu Zeit nötig wurden, um den in Schlendrian
versinkenden Unterrichtsbetrieb wieder für eine Zeitlang neu zu
beleben. Vielleicht hofften die Heidelberger Thomisten bei dieser
Gelegenheit eine Reform des artistischen Unterrichts im Sinne ihrer
Lehre durchzusetzen und suchten auch den Kurfürsten, der die
Statutenänderung veranlaßt hatte, davon zu überzeugen, daß eine
solche Umgestaltung zum „Wachstum und zur Mehrung“2 der
Fakultät beitragen würde. Diese aber bestand darauf, die aristo-
telischen Texte sollten „an der Hand der üblichen Kompendien,
mit Kommentierung“3, durchgenommen werden; ihre eigenen Vor-
schläge zur Reform des Lehrbetriebes bezogen sich ausschließlich
auf die Abstellung von offenbaren Mißbräuchen, auf zweckmäßigere
Gestaltung des didaktischen Verfahrens entsprechend der Fassungs-
kraft der Schüler u. dgl. mehr äußerliche Dinge. Eine entschei-
dende Reform erfolgte damals nicht. Wohl aber scheint eine latente
Spannung zwischen den Parteien Ende der vierziger Jahre fort-
bestanden zu haben. Darauf deuten wenigstens einzelne Tatsachen

1 Man bemüht sich ad, obviandum cunctis, qui niterentur istam viam anti-
quorum adducere, et non solum sti. Thome, sed et Alberti. a. f. a. I, 22413—225.
Auszug der Verhandlung bei Wundt, s. Prantl IV, 188.
2 Pro incremento et augmento. 1. c.
3 UB I, p. 152, Z. 27: Legat libros secundum communes titulos magistro-
rum cum commento. Der Ausdruck kehrt wörtlich wieder i. J. 1452.
 
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