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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0065
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Studien zur Spätscholastik. II.

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versität, wie ihn die zwangsweise Aufnötigung der Reform dar-
stellt ? Und insbesondere: Wie kam er zu der gewaltsamen Ein-
führung des Neuthomismus an seiner Landesuniversität ? Für die
Energie seines Handelns war es vielleicht nicht ohne Bedeutung,
daß er gerade Ende 1451 mit Zustimmung der Landesnotabein,
aber gegen die kaiserliche Willenserklärung, seine Befugnisse als
Landesadministrator in die kurfürstliche Vollgewalt umgewandelt
hatte. Er ist immer ein rasch entschlossener, kurz angebundener
Herr auch der Universität gewesen. Was aber mochte ihn in aller
Welt für die Neuthomisten einnehmen, deren Auftreten er zwar
nicht veranlaßt hat (wie man öfters zu lesen bekommt), deren
Reformbestrebungen er aber doch offensichtlich begünstigte?
Als ein paar Jahre später der Rat von Basel ähnliche Vor-
schriften wie Friedrich I. erließ, um die Einführung der via antiqua
an der dortigen Universität nach Heidelberger Muster zu erzwingen,
begründete er formell diesen Schritt mit der Rücksicht auf die
Grenzlage Basels, das sich allen Richtungen offen halten müsse,
und ähnlichen allgemeinen Erwägungen1. Sollten Rücksichten auf
die Frequenz auch in Heidelberg eine Rolle gespielt haben? Wahr-
scheinlich ist es nicht, und wenn solche Rücksichten bestanden,
dann würden sie eher noch für eine allgemeine Auffrischung der
Hochschule, als für die spezielle Bestimmung der Zulassung des
Realismus ein zureichendes Motiv bilden. Die Besucherzahl war
vor 1452 keineswegs auffallend niedrig, und der Zuwachs von
Scholaren nachher nicht groß genug, um eine solche Erklärung zu
rechtfertigen2. (Allerdings haben kriegerische Ereignisse bald nach
1452 störend eingewirkt.) Wie steht es aber mit Zarnckes Ver-
mutung, daß der Pfalzgraf im Bunde mit dem neuerstarkten Papst-
tum seiner Universität die realistische Lehre aufgenötigt habe, um
mit dem Nominalismus zugleich die letzten Spuren freierer kon-
ziliarer Regungen auszulöschen — ,,im wohlverstandenen Interesse
der kirchlichen Herrscher“ ?3) Schon der Begriff dieser ,,kirch-
1 Vischer, Univ. Basel, 146.
2 Durchschnitt der jährl. Inskriptionen von 1449 — 1463 ist etwa 130;
1451: 140,1452 : 115, dann steigend 120,135,158; 1456: 102. Vor 1400 hatten
sich die jährl. Zahlen meist unter 100 gehalten, abgesehen von den großen
Pfründenjahren, in denen rotuli aufgestellt wurden.
3 Narrenschiff, Einl. p. XY. Der Erfolg dieser „Reaktion“ soll sich im
Ketzerprozeß Joh. v. Wesels gezeigt haben. Aber an diesem Prozeß war
neben Jodokus Aichmann und Herwich v. Amsterdam auch der alte „Nomi-
nalist“ Nik. v. Wachenheim beteiligt!
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 7. Abh. 1922. 5
 
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