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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0069
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Studien zur Spätscholastik. II.

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Deutung des geschichtlichen Sachverhaltes dar. Sie-ist als Formu-
lierung dieser historischen Erscheinung zu weit und zu eng zugleich.
Denn weder beantwortet sie die Frage, in welcher Form man jene
älteren Autoritäten erneuerte, insbesondere welche ihrer Sätze in
polemischer Wendung gegen die herkömmliche Schuldoktrin ge-
richtet wurden, noch dürfen wir glauben, mit der Erklärung der
Heidelberger Vorgänge von 1452 das Verständnis der ganzen Be-
wegung in Deutschland eröffnet zu haben. Vor einem solchen Irr-
tum kann uns schon die Beobachtung warnen, daß außer Thomas
und Albert auch Duns Skotus eine recht erhebliche Rolle in der
Fiteratur der via antiqua gespielt hat! Wir sind also genötigt, in
das Sachliche des Schulstreites einzudringen, um diesen in seinem
ganzen Umfang zu verstehen und damit zugleich die von der frü-
heren historischen Literatur aufgeworfenen Fragen beantworten zu
können. Die Ergebnisse unseres Studiums der Pariser Verhältnisse
weisen uns in erster Linie auf die Frage nach der erkenntnis-
theoretischen Bedeutung des Streites hin.

a) Die Erkenntnislehre und das Universalienproblem.
Eine unbefangene Betrachtung der Quellenzeugnisse kann
nicht in Abrede stellen, daß die Erkenntnislehre und insbesondere
die Beantwortung des Universalienproblems von den Beteiligten
selbst als das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der „alten“ und
„neuen“ Schule betrachtet worden ist. Prantl, der diese Tatsache
leugnet, war schon bei der Analyse der Gersonschen Schriften (die
er ohne weiteres in die Darstellung der deutschen Verhältnisse
hineinzieht) zu gewaltsamen Umdeutungen genötigt1. Die deutschen
Quellen zeugen noch deutlicher gegen ihn.
In einer Münchener Sammelhandschrift fand ich zwei Reden
des Heidelberger Theologen, Hofpredigers und Vizekanzlers der
Universität Stephan Hoest aus Ladenburg, die er als Vertreter des
Wormser Propstes bei der Promotion junger Artistenmagister 1468
bezw. 1469 gehalten hat: das eine Mal vor Anhängern der via
antiqua, das zweite Mal vor „modernen“ Promovenden. Er selbst
gehörte als Artist zur via moderna2 und als Theologe — interessanter
Weise — zu den Skotisten3, benutzte aber in beiden Fällen die
feierliche Gelegenheit, um den frisch Promovierten die besonderen
1 s. o. p. 30, N. 2. 2 Toepke II 394, 397ff. 3 Modus predicandi Ste-
phani Hoest, ed. J. Wimpheling, Argentor. 1513 (Staatsbibi. Berlin). Bl. lb.
 
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