Studien zur Spätscholastik. II.
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Dem stehen freilich auch keine glänzenden Leistungen „mo-
derner“ Naturwissenschaft im 14. Jahrhundert gegenüber. Aber
darauf darf man immerhin verweisen, daß diejenige deutsche Uni-
versität des Mittelalters, die dem Aufkommen der neueren Natur-
forschung am besten vorgearbeitet hat, die Wiener Hochschule,
ausgesprochen „modernen“ Charakter trug und ihre großen natur-
wissenschaftlichen Traditionen an den „okkamistischen“ Theologen
Heinrich von Langenstein anknüpfen konnte* 1. Hier reichten ein-
mal diese Interessen über die übliche fromme naturphilosophische
Betrachtung hinaus in das Gebiet exakter Tatsachenforschung
hinein. — Weiter zeigen alle Lektionspläne deutscher Universitäten
und so auch der Heidelberger, daß die Physik mit ihren verschie-
denen Nebenfächern {de generatione et corruptione, libri metheoro-
rum) dem einen wie dem andern Wege als eine der unentbehrlichen
Hauptvorlesungen galt. Auch die moderni rechnen sie zu den best-
besuchten und darum lohnendsten Lektionen2. Warum sollte auch
die okkamistische Lehre innerlich diesen Dingen irgendwie ferner
gestanden haben? Das Beispiel des Nikolaus von Autrecourt
zeigt deutlich, daß weit eher ein radikaler Empirismus, der die
Tatsachenerfahrung an Stelle aller logischen Spekulationen setzte,
in der natürlichen Konsequenz dieser Erkenntnislehre liegen mochte3.
Nicht anders aber steht es mit der Literatur moralisch-national-
ökonomischer Traktate, die Hermelink4 den „realwissenschaft-
lichen“ Interessen der via antiqua gutschreiben möchte. Die mo-
derni sind an dieser Schriftstellerei eher noch stärker beteiligt, als
ihre Gegner. Es genügt, die Namen Heinrich von Langenstein und
Nikolaus von Oresme (den „großen Nationalökonomen des 14. Jahr-
sophische Enzyklopädie des Gregor Reisch [Margarita philosophiae, 1496),
der zur via antiqua zählte, aber innerhalb dieser Schule wie innerhalb der
Spätscholastik so gut wie isoliert dasteht. Solche Ausnahmeerscheinungen, wie
Gregor Reisch, Yincenz von Beauvais oder den älteren Bacon, in denen ein
unbefangenes Wirklichkeitsinteresse gewissermaßen plötzlich alle scholastische
Tradition durchbricht, wird niemand aus den Parteiungen eben dieser Schul-
tradition erklären wollen.
1 Ygl. Tannstetters 1514 geschriebene Eirfleitung zu Peurbachs tabu-
lae eclypsium und Regiomontani tabulae primi mobilis, bei Duhem 1. c. III, 15.
2 Heidelberger a. f. a. III 4a u. 5a (1501) u. ö. wird sie den ganz jungen
Magistern darum untersagt. — 1473, jan. 5 müssen die scolares in via antiqua
von d. Fakultät gezwungen werden: ante eorum promocionem audivisse et libros
physice sicut illi de via moderna{\) a. f. a. II 80a. 3 Vgl. die Sätze des N.
v. Autrecourt bei Prantl IV, 3, N. 4 u. Chartul.II, 1, p. 507. 4 Theol. Fa-
kultät 158/9.
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Dem stehen freilich auch keine glänzenden Leistungen „mo-
derner“ Naturwissenschaft im 14. Jahrhundert gegenüber. Aber
darauf darf man immerhin verweisen, daß diejenige deutsche Uni-
versität des Mittelalters, die dem Aufkommen der neueren Natur-
forschung am besten vorgearbeitet hat, die Wiener Hochschule,
ausgesprochen „modernen“ Charakter trug und ihre großen natur-
wissenschaftlichen Traditionen an den „okkamistischen“ Theologen
Heinrich von Langenstein anknüpfen konnte* 1. Hier reichten ein-
mal diese Interessen über die übliche fromme naturphilosophische
Betrachtung hinaus in das Gebiet exakter Tatsachenforschung
hinein. — Weiter zeigen alle Lektionspläne deutscher Universitäten
und so auch der Heidelberger, daß die Physik mit ihren verschie-
denen Nebenfächern {de generatione et corruptione, libri metheoro-
rum) dem einen wie dem andern Wege als eine der unentbehrlichen
Hauptvorlesungen galt. Auch die moderni rechnen sie zu den best-
besuchten und darum lohnendsten Lektionen2. Warum sollte auch
die okkamistische Lehre innerlich diesen Dingen irgendwie ferner
gestanden haben? Das Beispiel des Nikolaus von Autrecourt
zeigt deutlich, daß weit eher ein radikaler Empirismus, der die
Tatsachenerfahrung an Stelle aller logischen Spekulationen setzte,
in der natürlichen Konsequenz dieser Erkenntnislehre liegen mochte3.
Nicht anders aber steht es mit der Literatur moralisch-national-
ökonomischer Traktate, die Hermelink4 den „realwissenschaft-
lichen“ Interessen der via antiqua gutschreiben möchte. Die mo-
derni sind an dieser Schriftstellerei eher noch stärker beteiligt, als
ihre Gegner. Es genügt, die Namen Heinrich von Langenstein und
Nikolaus von Oresme (den „großen Nationalökonomen des 14. Jahr-
sophische Enzyklopädie des Gregor Reisch [Margarita philosophiae, 1496),
der zur via antiqua zählte, aber innerhalb dieser Schule wie innerhalb der
Spätscholastik so gut wie isoliert dasteht. Solche Ausnahmeerscheinungen, wie
Gregor Reisch, Yincenz von Beauvais oder den älteren Bacon, in denen ein
unbefangenes Wirklichkeitsinteresse gewissermaßen plötzlich alle scholastische
Tradition durchbricht, wird niemand aus den Parteiungen eben dieser Schul-
tradition erklären wollen.
1 Ygl. Tannstetters 1514 geschriebene Eirfleitung zu Peurbachs tabu-
lae eclypsium und Regiomontani tabulae primi mobilis, bei Duhem 1. c. III, 15.
2 Heidelberger a. f. a. III 4a u. 5a (1501) u. ö. wird sie den ganz jungen
Magistern darum untersagt. — 1473, jan. 5 müssen die scolares in via antiqua
von d. Fakultät gezwungen werden: ante eorum promocionem audivisse et libros
physice sicut illi de via moderna{\) a. f. a. II 80a. 3 Vgl. die Sätze des N.
v. Autrecourt bei Prantl IV, 3, N. 4 u. Chartul.II, 1, p. 507. 4 Theol. Fa-
kultät 158/9.