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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0091
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Studien zur Spätscholastik. II.

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das logische Studium auch in den Oberkurs hineingedrängt; die
mathematischen Studien scheinen dafür im Rückgang begriffen.
Man sieht den Gang der allgemeinen Entwicklung, den Verfall
der Scholastik durch immer stärkeres Überwuchern der logischen
Sophistereien sich in diesem besonderen Ergebnisse abspiegeln.
Aber die via antiqua hat diese Entwicklung nicht aufzuhalten ver-
mocht; sie ist selbst aufs stärkste mit hineingezogen. Denn was
bedeutet schließlich die Benützung anderer Lehrbücher, die Aus-
dehnung des logischen Elementarkurses auf die mehr „sachlichen“
Teile der Logik gegenüber dieser weitgehenden Parallelität des
Studienganges der beiden Schulrichtungen!
In der Tat ist diese Parallelität das auffallendste Ergebnis
unserer Betrachtung. Der Unterschied der beiden viae kann un-
möglich „wesentlichst im Lehrstoff“ gelegen haben; dann wäre er
so unbedeutend gewesen, daß die Entstehung der erbitterten Schul-
kämpfe uns schlechthin rätselhaft erscheinen müßte.
Dieses Ergebnis bestätigt sich bei der Durchsicht der philo-
sophischen Lehrbuchliteratur jener Zeit. Auch wenn man von der
schärferen Fassung der PRANTLSchen These {via antiqua bedeute:
Realwissenschaften einschließlich Metaphysik und Ethik contra
bloße Logik) ganz absieht und sich nur an ihre mildere Form hält
(Gegensatz der „realen“ gegen die bloß „sermozinalen“ Teile der
Logik), so stößt man auf die größten Schwierigkeiten, die von ihr
behauptete Differenz in den Quellen wiederzufinden. Es hat seine
Bedenken, der unvergleichlichen Belesenheit Prantls auch auf
diesem Felde entgegenzutreten, und niemand wird sich anmaßen,
diese Literatur besser als er zu kennen. Aber wer es überhaupt
wagt, dieses Labyrinth selbständig zu betreten, kann sich schwer
dem Eindruck entziehen: den Unterschied der beiden Parteien
„wesentlichst im Lehrstoffe“ suchen, heiße das an sich Verworrene
und Undeutliche erst vollends verwirren und unverständlich machen.
Vergeblich bleiben alle Bemühungen, mit Exaktheit zu bestimmen,
was denn nun eigentlich von der immer wachsenden Masse logi-
scher Traktate, die sich an den siebenten Hauptteil der summula
des Petrus Hispanus ansetzen, als „moderner Zusatz“, was davon
als herkömmliches Erbgut älterer Zeit zu gelten habe und auch der
via antiqua zugehören könne. Wie ungeheuerlich groß ist die Lite-
studien auf das Studium artium einen höheren Kurs der Naturphilosophie, das
Studium naturalium, folgen, der genau dieselben Gegenstände umfaßte, die
der baccal. art. an den Universitäten studierte.
 
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