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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0092
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92

Gerhard Ritter:

ratur, die Prantl als synkretistische, terministisch-skotistische
oder eklektische Geistesware zu deklarieren sich genötigt sieht, weil
sie sonst nicht unterzubringen ist! Nicht einmal in der Ausführ-
lichkeit, mit der die Kommentare beider Parteien den 7. Traktat
des Petrus Hispanus behandeln, ist ein durchgehender Unterschied
festzustellen. Viel regelmäßiger scheint es ein Kennzeichen „mo-
derner“ Parteizugehörigkeit zu bilden, daß der Abriß der parva
logicalia des Marsilius an Stelle der originalen Abhandlung des
Petrus dem Kommentar zugrunde gelegt wird. Dagegen ist die
Gründlichkeit, mit der z. B. Petrus Tartaretus, ein ausgespro-
chener Gegner der Nominalisten und das bedeutendste Schulhaupt
der Skotisten, diese Dinge erörtert, kaum zu übertreffen; die spezi-
fischen Erfindungen und charakteristischen termini der termini -
stischen Schullogik, wie die acceptio termini pro significato non ulti-
mato: die intentio prima et secunda, die suppositio conjusa tantum
u. a. m. verwendet er dauernd mit großer Geläufigkeit und Selbst-
verständlichkeit. Er ist sich auch durchaus bewußt, daß diese
Neuerungen erst von den moderni logici zum Petrus Hispanus hinzu-
getan sind, betrachtet sie aber offenbar als unentbehrliches Hand-
werkszeug einer zeitgemäßen Logik1. Auch die angeblich für die
„Modernen“ charakteristischen Abschnitte über insolubilia2, con-
sequentiae und obligatoria fehlen in seinen Kompendien nicht. Tar-
taretus lehrte zwischen 1480 und 1490; vergleicht man seine Schrif-
ten mit dem Kommentar seines älteren Parteigenossen Nikolaus
Dorrellus (gest. 1455), so sieht man deutlich, wie die Ausführ-
lichkeit in der Behandlung des 7. Traktates innerhalb der skoti-
stischen Schule selber gewachsen ist. Jenes ältere Werk3 macht die
proprietates terminorum verhältnismäßig knapp (auf 7 % Seiten) ab;
aber auch dort wird der „terministische“ Begriffsapparat, den wir
bei den okkamistischen Logikern finden, mit einer Unbefangenheit
verwendet, die uns deutlich zeigt — was wir im Laufe unserer
Untersuchung schon mehrfach betonten4 —, daß man den Nomi-
1 Expositio Petri Tatereti in summulas Petri hyspani. 1506 s. 1. (U. B.
Heidelberg), bes. Bl. 91 ff. — Ferner: P. Tartareti . . . secundum . . . Scoti
doctrinam atque conformiter ad meutern Stephani pruliferi [Brulifer] . . . summu-
larum petri hispania explanationes. Nach dem letzten Blatt emendat per Mar-
tinum Molenfelt ex Livonia . . in alma univers. Friburgensi anno 1494. (U. B.
Heidelberg.) Über P. T. vgl. Prantl IV 204ff. 2 Dieser in seiner jüngsten
Gestalt als tractatus de descensu. 3 Summula philosophiae rationalis seu lo-
gica . . . Nicolai Dorbelli secundum doctrinam . . . Scoti. Basilee 1494 (U.B.
Heidelberg). 4 Vgl. Studie I, p. 52/3, sowie oben p. 10 u. 28, N. 2.
 
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