Studien zur Spätscholastik. II.
93
nalismus mit Skotus oder Thomas ablehnen, aber darum doch ein
,,terministischer“ Logiker sein konnte1. Es kam nur darauf an, dem
,,'Terminismus“ nicht die von Okkam eingeführte erkenntnis-
theoretische Wendung zu geben.
Das alles sind Tatsachen, die auch Prantl nicht unbekannt
bleiben konnten. Er räumt ein, daß „für den logischen Schul-
unterricht auch die Thomisten ebenso wie die Skotisten Einiges
aus der Literatur der Modernen aufnahmen“, .... daß sie sogar
„einige Hauptlehren der Modernen über Consequentiae, Obligatoria
und Insolubilia in die Schule beizogen.“ Aber, meint er, sie hätten
„deshalb ihren Parteistandpunkt nicht irgendwie grundsätzlich ver-
leugnet“, sie hätten „wahrlich nicht in das Lager der Terministen
übergehen oder der übertriebenen Sophistik folgen wollen“2. Das
sind doch recht verlegene Wendungen. Zugegeben, die Vertreter
der via antiqua hätten nur gelegentlich „Einiges aus der Literatur
der Modernen aufgenommen“ (in Wahrheit haben sie in weitestem
Umfang, z. T. weit über die Tradition der „Terministen“ hinaus3,
am Ausbau dieser Literatur mitgearbeitet) — so bleibt auch dann
nicht recht verständlich, wieso es ihnen gelingen konnte, trotzdem
ihren Parteistandpunkt in vollem Umfang aufrechtzuerhalten —
wenn eben dieser Parteistandpunkt doch „wesentlichst im Lehr-
stoffe begründet war“ ? Alle Schwierigkeiten dagegen lösen sich
leicht, wenn wir voraussetzen (was ich im vorigen Kapitel zu be-
weisen versuchte), daß dieser Parteistandpunkt wesentlich nicht
im Lehrstoffe, sondern in der verschiedenen Beantwortung der
Universalienfrage begründet war. Mochten dann die Verfechter der
via antiqua sich noch so eingehend mit der terministischen Logik
befassen — solange sie ihren realistischen Standpunkt in der Uni-
versalienfrage festhielten (mit thomistischer oder skotistischer
Begründung), blieben sie den entscheidenden Grundsätzen ihrer
Schule treu.
Es spricht für die Richtigkeit unserer Auffassung der histo-
rischen Sachlage, daß sie indirekt durch das Hauptargument
Prantls, unseres kenntnisreichsten Gegners selber, unterstützt
1 Dicta Versoris super septem tractatus mag. Petri Hispani ... s. 1. et a.
(U. B. Heidelberg), fol. S, sp. c: Suppositio simplex, qüae suppositio fit ratione
termini communis pro re universali, quae quidem natura est simplex et incLi-
visibilis. Über den Thomisten Joh. Versor vgl. Prantl IV 220. Auch er
behandelt den MI. Traktat am ausführlichsten. 2 IV, 211. 3 Prantl IV,
207, vorletzte Zeile im Text.
93
nalismus mit Skotus oder Thomas ablehnen, aber darum doch ein
,,terministischer“ Logiker sein konnte1. Es kam nur darauf an, dem
,,'Terminismus“ nicht die von Okkam eingeführte erkenntnis-
theoretische Wendung zu geben.
Das alles sind Tatsachen, die auch Prantl nicht unbekannt
bleiben konnten. Er räumt ein, daß „für den logischen Schul-
unterricht auch die Thomisten ebenso wie die Skotisten Einiges
aus der Literatur der Modernen aufnahmen“, .... daß sie sogar
„einige Hauptlehren der Modernen über Consequentiae, Obligatoria
und Insolubilia in die Schule beizogen.“ Aber, meint er, sie hätten
„deshalb ihren Parteistandpunkt nicht irgendwie grundsätzlich ver-
leugnet“, sie hätten „wahrlich nicht in das Lager der Terministen
übergehen oder der übertriebenen Sophistik folgen wollen“2. Das
sind doch recht verlegene Wendungen. Zugegeben, die Vertreter
der via antiqua hätten nur gelegentlich „Einiges aus der Literatur
der Modernen aufgenommen“ (in Wahrheit haben sie in weitestem
Umfang, z. T. weit über die Tradition der „Terministen“ hinaus3,
am Ausbau dieser Literatur mitgearbeitet) — so bleibt auch dann
nicht recht verständlich, wieso es ihnen gelingen konnte, trotzdem
ihren Parteistandpunkt in vollem Umfang aufrechtzuerhalten —
wenn eben dieser Parteistandpunkt doch „wesentlichst im Lehr-
stoffe begründet war“ ? Alle Schwierigkeiten dagegen lösen sich
leicht, wenn wir voraussetzen (was ich im vorigen Kapitel zu be-
weisen versuchte), daß dieser Parteistandpunkt wesentlich nicht
im Lehrstoffe, sondern in der verschiedenen Beantwortung der
Universalienfrage begründet war. Mochten dann die Verfechter der
via antiqua sich noch so eingehend mit der terministischen Logik
befassen — solange sie ihren realistischen Standpunkt in der Uni-
versalienfrage festhielten (mit thomistischer oder skotistischer
Begründung), blieben sie den entscheidenden Grundsätzen ihrer
Schule treu.
Es spricht für die Richtigkeit unserer Auffassung der histo-
rischen Sachlage, daß sie indirekt durch das Hauptargument
Prantls, unseres kenntnisreichsten Gegners selber, unterstützt
1 Dicta Versoris super septem tractatus mag. Petri Hispani ... s. 1. et a.
(U. B. Heidelberg), fol. S, sp. c: Suppositio simplex, qüae suppositio fit ratione
termini communis pro re universali, quae quidem natura est simplex et incLi-
visibilis. Über den Thomisten Joh. Versor vgl. Prantl IV 220. Auch er
behandelt den MI. Traktat am ausführlichsten. 2 IV, 211. 3 Prantl IV,
207, vorletzte Zeile im Text.