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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0100
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Gerhard Ritter:

werden wir einstweilen geneigt sein, diese Bedeutung erheblich
geringer einzuschätzen, als man das bisher, den Aussagen der
Quellen ohne eindringende Kritik folgend, zumeist getan hat; wir
konnten feststellen, daß die Streitenden sich gegenseitig miß-
verstanden und die Tragweite ihrer Gegensätze künstlich über-
trieben haben. Indessen wäre es nun recht wohl denkbar, daß sich
mit jenen — an sich nicht allzu schwerwiegenden — prinzipiellen
Kontroversen weitere Gegensätze verbunden hätten, seien es Unter-
schiede der Lehrmethode, sei es eine verschiedenartige Stellung-
nahme beider Parteien zu den großen geistigen Bewegungen der
Zeit. In solchen Nebendifferenzen könnte dann die eigentliche histo-
rische Bedeutung des Schulstreites gelegen haben.
In der Tat sind derartige Nebenbeziehungen von der bisherigen
Forschung behauptet, teilweise sogar zur Hauptsache gemacht
worden. Man hat von Unterschieden der Lehr- und Forschungs-
methode gesprochen (Benary), hat die via antiqua in eine beson-
ders enge Verbindung mit dem Humanismus gebracht (Zarncke,
Hermelink) und ihr eine mehr oder weniger weittragende Bedeu-
tung für die Geschichte der Theologie und der Kirche beigemessen,
indem man sie an den kirchlichen und theologischen Reform-
bestrebungen des 15. Jahrhunderts stärker beteiligt sein ließ, als
ihre Gegenpartei (Maurenbrecher u. a.). Erst nach Prüfung
dieser Aufstellungen werden wir ein hinreichend begründetes Urteil
über die historische Tragweite unseres Schulstreites besitzen. Es
muß sich dabei zeigen, ob unsere vorhin ausgesprochene vorläufige
Ansicht zu Recht besteht oder nicht.

a) Die via antiqua als Reform der Unterrichtsmethode.
Benary glaubt das Wesen des Schulstreites aus einem metho-
dologischen Gegensatz innerhalb der verschiedenen philosophischen
Schulen erklären zu können. Davon soll im folgenden nicht weiter
die Rede sein. Diese positive „Arbeitshypothese“ von der aprio-
ristischen bzw. aposterioristischen Methode des Denkens (s. o.
S. 15ff.) lohnt es jetzt nicht mehr, ausführlich zuwiderlegen. In der
Einleitung ist bereits gezeigt, wie unklar sie in sich selber ist und
wie gröblich sie die von ihr benutzten Quellen mißversteht, t ber-
dies wird nach allem früher Erörterten von selber einleuchten (ohne
daß es des umständlichen Nachweises erst bedürfte), daß man die
Tatsachen auf ganz gewaltsame Weise umdeuten muß, wenn
 
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