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Gerhard Ritter:
der Vorlagen und nach längeren Abschnitten eingeschoben je eine
regelrecht durchgeführte Quästion. Dazu kommt dann noch als
besondere Eigentümlichkeit die ausführliche continuatio textus, d. h.
die zusammenhängende, erläuternde Inhaltswiedergabe des aristo-
telischen Textes. Irgendein prinzipieller Unterschied der Darstel-
lungsmethode gegenüber Tartaretus ist nicht zu erkennen; es sei
denn der, daß sich Petrus Tartaretus von vorneherein (schon im
Titel!) auf die Ansichten seines Vorbildes Duns Skotus festlegt,
ja dessen Schriften den aristotelischen Texten ausdrücklich zur
Seite stellt, während die beiden „terministischen Skotisten“ Bricot
und Georgius Bruxellensis sich wenigstens formell größere Frei-
heit der Auslegung wahren und ausschließlich an die aristotelischen
Originaltexte halten. Zu wirklichen Ausartungen sophistischen
Scharfsinns neigt dagegen die „moderne“ Lehrbuchliteratur -
ebenso wie die der antiqui — in den logischen Kommentaren. Ein
besonders abschreckendes Beispiel dieser Art besitzen wir in der
Hagenauer „modernen Logik“ von 1503, die vielleicht von Johan-
nes von Glogau stammt1; an Stelle der Quästionen tritt hier
ein anderes äußerst schwerfälliges Schema schulmäßiger Kom-
mentierung auf, mit dessen Hilfe unglaublich viel leeres Stroh
gedroschen wird2. Auch das Opus maius des Erfurters Jodocus
Trudvetter, ein Handbuch der gesamten Logik3, leistet das
Menschenmögliche an umständlicher Erörterung aller nur denk-
baren logischen Kontroversen im Geiste der „modernen“ Schule
(übrigens ohne pedantische Verwendung des Quästionenschemas).
Dennoch wäre es voreilig, nach diesenSpätlingen die ganze „mo-
derne“ Lehrbuchliteratur zu beurteilen. Neben Trudvetters logi-
schem Wälzer steht die knappere Fassung derselben Materie durch
seinen Parteigenossen und Kollegen Arnoldi4 und ein so ausge-
zeichnetes Kompendium wie die „alte Kunst“ des Ingolstädter
„Modernen“ Johannes Parreudt, von dem bereits in anderem
Zusammenhang die Rede war (s. o. S. 79). Er benutzt die Quä-
1 Commentarium secundum modernorum viam in traclatus P. Hisp. I et IV;
item ... in traclatus parvorum logicalium Marsilii. . . Hagenau (Henricus
Gran) 1503. Vgl. Prantl IV, 291, N. 725. 2 Darstellungsschema: littera-
divisio — intellectio divisionis — arguitur 1°, 2° usf. — contra dicitur — res-
ponsio ad 1, 2 usf. — solutio — propositiones usf. — Erörtert wird z. B.
die Frage: Utrum tractatus Marsilii de suppositionibus sit ab aliis tractatibus
logice distinctus? [!]. 3 Summula tocius logice, quod opus maius appellitare
libuit . . . Erfurt (Wolfgang Schenck) 1501, U. B. Hdbg.; vgl. Prantl IV, 241.
4 S. Pranti. IV. 243.
Gerhard Ritter:
der Vorlagen und nach längeren Abschnitten eingeschoben je eine
regelrecht durchgeführte Quästion. Dazu kommt dann noch als
besondere Eigentümlichkeit die ausführliche continuatio textus, d. h.
die zusammenhängende, erläuternde Inhaltswiedergabe des aristo-
telischen Textes. Irgendein prinzipieller Unterschied der Darstel-
lungsmethode gegenüber Tartaretus ist nicht zu erkennen; es sei
denn der, daß sich Petrus Tartaretus von vorneherein (schon im
Titel!) auf die Ansichten seines Vorbildes Duns Skotus festlegt,
ja dessen Schriften den aristotelischen Texten ausdrücklich zur
Seite stellt, während die beiden „terministischen Skotisten“ Bricot
und Georgius Bruxellensis sich wenigstens formell größere Frei-
heit der Auslegung wahren und ausschließlich an die aristotelischen
Originaltexte halten. Zu wirklichen Ausartungen sophistischen
Scharfsinns neigt dagegen die „moderne“ Lehrbuchliteratur -
ebenso wie die der antiqui — in den logischen Kommentaren. Ein
besonders abschreckendes Beispiel dieser Art besitzen wir in der
Hagenauer „modernen Logik“ von 1503, die vielleicht von Johan-
nes von Glogau stammt1; an Stelle der Quästionen tritt hier
ein anderes äußerst schwerfälliges Schema schulmäßiger Kom-
mentierung auf, mit dessen Hilfe unglaublich viel leeres Stroh
gedroschen wird2. Auch das Opus maius des Erfurters Jodocus
Trudvetter, ein Handbuch der gesamten Logik3, leistet das
Menschenmögliche an umständlicher Erörterung aller nur denk-
baren logischen Kontroversen im Geiste der „modernen“ Schule
(übrigens ohne pedantische Verwendung des Quästionenschemas).
Dennoch wäre es voreilig, nach diesenSpätlingen die ganze „mo-
derne“ Lehrbuchliteratur zu beurteilen. Neben Trudvetters logi-
schem Wälzer steht die knappere Fassung derselben Materie durch
seinen Parteigenossen und Kollegen Arnoldi4 und ein so ausge-
zeichnetes Kompendium wie die „alte Kunst“ des Ingolstädter
„Modernen“ Johannes Parreudt, von dem bereits in anderem
Zusammenhang die Rede war (s. o. S. 79). Er benutzt die Quä-
1 Commentarium secundum modernorum viam in traclatus P. Hisp. I et IV;
item ... in traclatus parvorum logicalium Marsilii. . . Hagenau (Henricus
Gran) 1503. Vgl. Prantl IV, 291, N. 725. 2 Darstellungsschema: littera-
divisio — intellectio divisionis — arguitur 1°, 2° usf. — contra dicitur — res-
ponsio ad 1, 2 usf. — solutio — propositiones usf. — Erörtert wird z. B.
die Frage: Utrum tractatus Marsilii de suppositionibus sit ab aliis tractatibus
logice distinctus? [!]. 3 Summula tocius logice, quod opus maius appellitare
libuit . . . Erfurt (Wolfgang Schenck) 1501, U. B. Hdbg.; vgl. Prantl IV, 241.
4 S. Pranti. IV. 243.