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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0130
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130

Gerhard Ritter:

Schließlich folgt ein Massenaufgebot von dichtenden Magistern und
Scholaren zu demselben Zwecke. Nicht weniger als fünfzig Epi-
gramme auf einmal ertönen zum Preise des verstorbenen Meisters.
Beinahe alles, was die Universität an klangvollen humanistischen
Namen aufzuweisen hatte, erscheint in diesem Chorus: Jodokus
Gallus, Theodor Gresemund, Jakob Wimpfeling, Jakob Spiegel,
Dionysius Reuchlin und andere. Man braucht nicht gerade anzu-
nehmen, daß sie sich für die Prinzipien der via moderna im Grunde
sehr ereifert haben; Jakob Wimpfeling, selber ein Zögling dieser
Schule, hielt und druckte noch in demselben Jahre eine Rede zur
Versöhnung aller streitenden Parteien, die allen ins Gewissen redet,
Nominalisten, Realisten und Humanisten, sich gütlich zu vertra-
gen1. Aber vielleicht hat er selber, der Schreiblustige, diese Ver-
teidigungsschrift veranlaßt und redigiert2: den antiqui mochten er
und seine Freunde doch nicht den Vorrang bei Hofe gönnen; denn
um einen Wettlauf um die Gunst des Fürsten handelt es sich offen-
bar; der hatte vielleicht — die Akten schweigen darüber — kurz
zuvor mit gewaltsamer Unterdrückung der ewigen Zänkereien ge-
droht. Doch mag dem so sein oder nicht: in jedem Falle beweist
die Schrift ganz deutlich, daß von einem einseitig bevorzugten
Verhältnis der via antiqua zum Humanismus in Heidelberg um
1500 keine Rede sein kann.
Belege dieser Art ließen sich mühelos weiter häufen. Man
könnte etwa auf das Epigramm hinweisen, mit dem Pallas Spangel,
der humanistische Freund Rudolf Agricolas, von Hause aus selber
ein Angehöriger der via antiqua, die Druckausgabe der Sentenzen-
vorlesung des Marsilius von Inghen schmückte, und auf die Lob-
reden, die er dem Meister der Modernen nach derselben Quelle als
Vizekanzler gehalten hat3. Oder man könnte an jene Ode des
Konrad Celtes erinnern, in der dieser Zögling der via antiqua die
Theorien beider Wege als sinnlose Sophistereien verständnislos ver-
spottet4, oder an die Stelle in der Utopie des Thomas Morus, in
der mit gleich bissiger Ironie von den parva logicalia der nuperi

1 Pro concordia dialecticorum et oratorum usw. s. 1. 1499. Vgl. Knodt
in Z.G.O. N. F. I, 321. Ich benutzte das Exemplar der Darmstädter L. B.
2 Darauf bringt mich die auffallende Ähnlichkeit gewisser Gedanken-
gänge in den beiden eben zitierten Schriften, in denen die Notwendigkeit und
Unschädlichkeit von Meinungsverschiedenheiten unter den Gelehrten be-
tont wird. 3 Marsilius de Inghen, Quaestiones in IV. libros sententiarum,
Argentor. 1501,fol.lb. 4 Bei Bauch, Rezeption des Humanismus in Wien,135.
 
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