Studien zur Spätscholastik. II.
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( = moderni), wie von dem Monstrum homo in communi die Rede
ist, das der Realismus der antiqui meine demonstrieren zu können1.
Aber fast zu lange schon haben wir uns mit einer Hypothese auf-
gehalten, deren Unterlagen sich als brüchig erweisen, man mag
nachfühlen, wo man will. Denn es steht durchaus nicht so, wie
man den zuletzt genannten Tatsachen gegenüber vielleicht ein-
wenden könnte: daß erst die spätere Entwicklung des Humanismus
diesen in Gegensatz zur via antiqua gebracht habe, während zu
Anfang ein Bewußtsein der Verwandtschaft bestand. Vielmehr im
Kerne ihres Wesens sind die beiden Bewegungen grundverschieden:
Ausklang einer verhallenden Symphonie die eine, Vorspiel eines
mächtigen neuen Werkes die andere. Alles, was man an gemein-
samen Motiven herauszuhören glaubt, ist nicht mehr, als zufälliger
Gleichklang im Gewebe der Töne.
Oder sollten etwa die so grundverschiedenen Weisen in einer
tieferen Lage, im Bereich des Religiösen, doch noch gemeinsame
Orgeltöne besitzen ?
c) Die via antiqua und die Reform der Theologie.
Nach den vorherigen Ergebnissen unserer Untersuchung stellte
sich der Gegensatz zwischen via antiqua und via moderna dar als
einfache Fortsetzung eines alten Schulstreites auf einer Entwick-
lungsstufe, auf der die ursprünglich ihm zugrunde liegenden philo-
sophischen Gegensätze eigentlich längst verblaßt waren und nun-
mehr künstlich und bewußt aufgefrischt wurden. Der Streit selber
ging in der Hauptsache um Methode und Inhalt der artistischen,
insbesondere der logischen Studien; aber der Anlaß zu seinem
Ausbruch kam, wie es scheint, von der Theologie her. Das starke
Interesse der Theologen an diesen Fragen ergab sich aus den ver-
schiedensten Quellen immer wieder: aus der Kölner Denkschrift
von 1425, aus den persönlichen Beziehungen der Heidelberger
Theologen zur via antiqua und aus den Pariser Vorgängen von
1473. Der Gegenstand des Streites macht dieses Interesse begreif-
lich : hinter den logisch-erkenntnistheoretischen Gegensätzen steckte
1 Ausg. v. Michels-Ziegler (Lat. Literaturdenkmäler, hrsg. von Herr-
mann) p. 68, in meiner Übersetzung (Ivlass. d. Politik, Bd. I, 1922) p. 66.
Eine Reihe ähnlicher Einzeleinwände hat Mestwerdt 1. c. 163ff. sorgsam und
einleuchtend vorgetragen. Was er trotzdem von Hermelinks These glaubt
retten zu können, scheint mir durch die obigen Ausführungen nunmehr
gleichfalls zerstört zu sein.
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( = moderni), wie von dem Monstrum homo in communi die Rede
ist, das der Realismus der antiqui meine demonstrieren zu können1.
Aber fast zu lange schon haben wir uns mit einer Hypothese auf-
gehalten, deren Unterlagen sich als brüchig erweisen, man mag
nachfühlen, wo man will. Denn es steht durchaus nicht so, wie
man den zuletzt genannten Tatsachen gegenüber vielleicht ein-
wenden könnte: daß erst die spätere Entwicklung des Humanismus
diesen in Gegensatz zur via antiqua gebracht habe, während zu
Anfang ein Bewußtsein der Verwandtschaft bestand. Vielmehr im
Kerne ihres Wesens sind die beiden Bewegungen grundverschieden:
Ausklang einer verhallenden Symphonie die eine, Vorspiel eines
mächtigen neuen Werkes die andere. Alles, was man an gemein-
samen Motiven herauszuhören glaubt, ist nicht mehr, als zufälliger
Gleichklang im Gewebe der Töne.
Oder sollten etwa die so grundverschiedenen Weisen in einer
tieferen Lage, im Bereich des Religiösen, doch noch gemeinsame
Orgeltöne besitzen ?
c) Die via antiqua und die Reform der Theologie.
Nach den vorherigen Ergebnissen unserer Untersuchung stellte
sich der Gegensatz zwischen via antiqua und via moderna dar als
einfache Fortsetzung eines alten Schulstreites auf einer Entwick-
lungsstufe, auf der die ursprünglich ihm zugrunde liegenden philo-
sophischen Gegensätze eigentlich längst verblaßt waren und nun-
mehr künstlich und bewußt aufgefrischt wurden. Der Streit selber
ging in der Hauptsache um Methode und Inhalt der artistischen,
insbesondere der logischen Studien; aber der Anlaß zu seinem
Ausbruch kam, wie es scheint, von der Theologie her. Das starke
Interesse der Theologen an diesen Fragen ergab sich aus den ver-
schiedensten Quellen immer wieder: aus der Kölner Denkschrift
von 1425, aus den persönlichen Beziehungen der Heidelberger
Theologen zur via antiqua und aus den Pariser Vorgängen von
1473. Der Gegenstand des Streites macht dieses Interesse begreif-
lich : hinter den logisch-erkenntnistheoretischen Gegensätzen steckte
1 Ausg. v. Michels-Ziegler (Lat. Literaturdenkmäler, hrsg. von Herr-
mann) p. 68, in meiner Übersetzung (Ivlass. d. Politik, Bd. I, 1922) p. 66.
Eine Reihe ähnlicher Einzeleinwände hat Mestwerdt 1. c. 163ff. sorgsam und
einleuchtend vorgetragen. Was er trotzdem von Hermelinks These glaubt
retten zu können, scheint mir durch die obigen Ausführungen nunmehr
gleichfalls zerstört zu sein.