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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 7. Abhandlung): Eine delphische Mirakelinschrift und die antiken Haarwunder — Heidelberg, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.38949#0005
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Eine delphische Mirakel-Inschrift und die antiken Haarwunder.

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Das entscheidet für τε]λοϋντες, da das von Pomtow noch erwogene
κα]λοΰντες nach ονόμαζαν zwecklos wäre. Z. 17 γε]νέθ·λια δωροφο-
ροΰντες verbindet sich damit gut: die Dankesspenden an den Gott
für die Geburt der Kinder werden eben aus der Lockenweihe be-
standen haben.
Eine Schwierigkeit bleibt bei Pomtows Ergänzung des letzten
Verses θυγα]τρός μνημεΐ’ ανέγραψαν. Es sind doch zwei Mädchen
und zwei Wunder. Da θυγα]τρών metrisch möglich wäre, aber
nicht dasteht, muß ein anderer Singular gewählt werden. Apolls
Wunder hat nun die Mutter doch mitbetroffen, vielleicht also
μη]τρός μνημεΐ' ανέγραψαν. Von der Mutter geht die Weihung in
erster Linie aus (gen. subject.). Vgl. unten S. 7.
Eine Einzelheit verdient noch Beachtung: das erste Mädchen
ist ein Elfmonatskind (Z. 4). Wenn nach antiker Lehre 7- und
9-Monatskinder die Regel sind, so fehlt es doch nicht an zahl-
reichen Beispielen für Zehnmonatskinder, im Mythos sowohl wie
im gewöhnlichen Leben4), und auch Elfmonatskinder werden ge-
legentlich genannt5); wenn man schon über die Möglichkeit von
elf Monaten gestritten hat6), so sind 12 und 13 Monate teils zweifel-
hafte, teils isolierte Angaben.7) Und nur die ersten zwei der epidau-
rischen Mirakel, von denen wir gleich zu sprechen haben, bringen
es fertig, eine Frau fünf bzw. drei Jahre lang schwanger sein zu
lassen, bis sie Asklepios von ihrer Bürde erlöste.7a) Der delphische
Text bietet also eine erwünschte Vermehrung der Angaben über Elf-
monatskinder. Zweifellos hängt dieser Zug zusammen mit dem are-
talogischen Charakter unseres Textes: der Gott sorgt dafür, daß ein
völlig ausgereiftes Kind zur Welt kommt, so wie schon die Zehn-
monatskinder des Mythos sich durch besondere Leistungsfähigkeit
und Bedeutsamkeit auszeichnen: Hermes, der puer der 4. Ekloge
und schließlich auch Gargantua, den seine Mutter „trug bis in den
eilften Monat. Denn so lang und länger können die Weiber Leibes-
4) Vgl. Roscher, Enneadische u. hebdomad. Fristen (Abhancll. Sächs. Akad.
XXI, 4), S. lOff.; Sieben- und Neunzahl (ebenda XXIV, 1), S. 100; Ennead. Stu-
dien (ebenda XXVI, 1), S. 19f., G9ff., 77 f.; Ed. Norden, Die Geburt des Kindes
61 f., 116 A. 3; Weinreich, Philol. Wochenschr. 1924, 899f.
&) Censorin. 7, 6; Gellius, n. Alt. III, 16, 6 (Varro, Frg. 12Agahd und 12f.),
(Varro, Sat. Men. Frg. 543 B.); mehr bei Roscher, Ennead. Stud. 69, A. 104.
6) Vgl. Gellius III, 16, 12.
7) Rosci-ier, Ennead. Stud. 69, A. 104; Pein. n. h. VII, 5, 40 = Gellius
III, 16, 23.
7a) Preuner, Rhein. Mus. 74, 231 f.
 
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