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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0012
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12

Hans y. Schubert:

gar kein Weiser unter Euch1 ?“ Der erste Ansatz zum eigenen
Gerichtshof! Wie viel leichter konnte die Christengemeinde auf
Gebieten, die das Sittliche so viel unmittelbarer berühren und doch
so viel Unsittlichkeit Raum ließen, wie etwa das Geschlechtsleben,
zu eigenen alle Glieder bindenden Sätzen, also zu Rechtssätzen
kommen auf Grund ihrer Worttradition, die man das Evangelium
nannte! Das führt zum zweiten Punkt: die ganze Lebensregulierung
war schlechthin verbindlich, weil sie von dem höchsten Gott
stammte, und sie war für alle verbindlich, weil sie von dem einen
Gott stammte. Der strenge sittliche Monotheismus, der dem sitt-
lichen Gebot den absoluten Charakter gab, machte den Rechts-
satz, zu dem das Gebot drängte, zum höheren Rechtssatz. Wenn
Recht hier entstand, so hing es irgendwie mit der christlichen
Grundüberzeugung zusammen, daß Gottes Wille dahinter stehe,
und wurde dadurch zum göttlichen Recht, um dieser reinen Quelle
willen, während das des Staates irgendwie mit Sünde befleckt war
wie diese ganze Welt.
Entscheidend ist darum erst der dritte Punkt, ob es unbedingt
sichere Bürgen und Deuter des göttlichen Willens gab, ob das sich
entwickelnde materielle Recht gedeckt wurde durch personelle
Träger, die das Recht finden und nach dem gefundenen Recht
richten konnten: Rechtsquelle und Richtamt. Die Frage nach der
Verfassung ist also die Grundfrage: ihre Lösung war das aposto-
lische Bischofsamt2. Vieles erklärt sich auch hier von der jüdischen
Grundlage, vom Alten Testament her; hier war ein ganzes Volk
Gottes, in seinen Bund gezogen, durch sein Gesetzbuch regiert, das
Religion und Recht zugleich war, das Gesetz auch ausgedeutet durch
Schriftgelehrte, und daneben prophetische Erscheinungen, in denen

1 Luk. 12, 13. — I. Kor. 6, 1-—6. Man muß die ganze Stelle lesen:
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tcöv ocyiov; t) oüx oiSocre oxi oi ccyioi xov xoagov xpivouoiv; xod ei ev 6p.iv xplvexoa
6 xoapop, äva^iol sars xpixrjpüov eXocytaxcov; oox oi'Saxe oxi äyyeXoup xpivoüpev,
jxv]Tiye ßiamxa; ßiarixa p,ev o5v xpixrjpia sav syrjTe, to6? eEoud-svrjiiivovq ev T/j
exxA7](JLqc, toutoup xaäl^exe; 7tpö<; evTpo7T7]v 6[xtv Xsyü). oÖtgx; oüx evt ev ugtv cocpöp
oüSs elq, 6q SoviiaeTat, Siaxpivoa ava geaov xoö äSeXpoö aüxoü; äXXa äSeXffl6<; gera
aSeXcpou xplvexai, xal toüto e~i dcmaxov;
2 Aus der großen Literatur hier etwa nur: A. v. Harnack, Entstehung
und Entwicklung der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts in den zwei
ersten Jahrhunderten, 1910; R. Sohm, Kirchenrecht I (1892), II (1923), Wesen
u. Urspr. des Kathol.2 (1912) und Weltl. u. geistl. Recht, 1914; K. Müller,
Kirchengesch. I2, 109ff., 208ff., 254ff. (1924).
 
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