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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0014
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Hans v. Schubert:

liehen Recht zu verschmelzen und aus diesem aequum heraus
wieder das ius zu ergänzen und zu interpretieren, und die stoisch
gebildeten Juristen brachten wieder ihr ius gentium damit zu-
sammen. Was für ein trübes Gemisch dabei zustande kam, kann
man theoretisch an den Sätzen Isidors von Sevilla im 6. Jahr-
hundert, praktisch an der christlichen Bauern- und Wiedertäufer-
bewegung im 4. Jahrhundert sehen, in der man ganz ähnlich wie
im 16. im Namen des göttlichen Rechtes den Villenbesitzern ihre
Villen wegnahm1. Ein kirchlich-göttliches Weltrecht war inner-
halb des Weltstaates neben dem römisch-irdischen entstanden.
Daß der Konflikt so spät ausbrach, lag außer jenen fünf
Gründen, die wir auf der Gegenseite des Staates feststellten, auch
noch an zwei Gründen auf der kirchlichen Seite. Zuerst, bis ins
2. Jahrhundert hinein, an dem Vorwalten der weltflüchtigen Scheu,
dem passiven Verhalten der Christen gegenüber dem Staat und
der Gesellschaft -— das war die Linie, die schon Paulus raten ließ,
an den rechtlichen und sozialen Ordnungen nichts zu ändern, da
der Tag des Herrn bevorstehe2. Aber auch schon Paulus hat da-
neben doch die relative Anerkennung der Obrigkeit, die Gottes
Dienerin sei uns zu gut, und des natürlichen Sittengesetzes, das
Gott in die Herzen auch der Heiden geschrieben habe, beides
im Römerbrief3, also an die Gemeinde der Stadt, in der das römische
Weltrecht seinen Mittel- und Ausgangspunkt hatte, — das war die
Anbahnung einer Scheidung in ein göttliches Recht, das zwar immer
absoluten Wert behält und Ziel bleibt, aber doch seit dem Paradies
verloren ist und erst in der Gottesstadt wieder ganz realisiert
werden wird, und in ein christliches Naturrecht, das eine relative
Schätzung selbst des heidnischen Staates und seines Rechtes zu-
läßt4. Wer dächte nicht daran, daß Plato auf das Idealbild der
1 Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie I, 155 (1892); Car-
lyle, 1. c. S. 106; H. von Schubert, Der Kommunismus der Wiedertäufer
u. s. Quellen, S. 34 f. (Sitz.-Ber. d. Heid. Ak. d. Wiss., 1919). Über „Naturrecht
und Staat in d. alten Kirche“ von kath. Seite, die grundsätzlich anders zum
Naturrecht steht, O. Schiliing 1914.
2 I. Kor. 7, 17, 20f., 24, 29ff. H. Weinel, Die Stellung des Urchrist.
z. Staat, 1908; W. Köhler, Die Entstehung des Problems Staat und Kirche,
(1903) S. 18ff.
3 Röm. 13, 1 ff., 2, 14f.
4 Köhler S. 24 ff. Tröltsch, 1. c. S. 161 ff.; Carlyle, 1. c. S. 102ff.;
H. Baron, Christi. Naturrecht und ewiges Recht, Hist. Zeitschr. 133 (1926),
S. 416.
 
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