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Hans v. Schubert:
rieh IV. als sein gutes Recht aus des Vaters Hand übernahm,
geheiligt durch jahrhundertelange Übung, hinabreichend in uralte
Rechtsgewöhnung, auch ein geschlossenes System, von dem Primas
des deutschen Episkopates an, der sein Erzbistum Mainz von der
Krone zu Lehen trug, seine Kontingente stellte und des Reiches
Erzkanzler war, bis hinunter zum Landpfarrer, der mit Weib und
Kind alles andere als kanonisch lebte, alle eng verwachsen in allen
Stufen mit dem nationalen, also auch dem nationalen Rechtsleben
des Volkes.
So stark äußert sich diese Welle germanischen Rechts, daß sie
schließlich auch die Spitze ergriff, Rom, nachdem sich die germa-
nische Macht bis hierhin ausgedehnt hatte, ganz konsequent, da
das ganze System gefährdet war, solange die oberste Rechtsquelle
und das oberste Richtamt außerhalb des Reiches sich dem System
entzog. Man darf schon Karls d. Gr. Staatsidee nicht einseitig
danach beurteilen, daß er sich aus Augustins „Gottesstaat“ hei
Tisch vorlesen ließ: er las Augustin, eben wie ein Karl d. Gr. ihn
las, als der Frankenkönig, der, schon ehe ihm der Papst hinter-
rücks die Kaiserkrone aufs Haupt setzte, sich von Gottes Gnaden
nannte und sich mit dem theokratischen König des Alten Testa-
ments, David, verglich, und er verstand diesen seinen theokrati-
schen Gottesstaat so, daß er über den Papst zu Gericht saß, das
kirchliche Leben seines erweiterten Reiches auch nach seiner
inneren Seite regulierte und durch eine großartige Gesetzgebung
eine Rechtseinheit anstrebte, mit der ein Gregor VII. schlecht
zufrieden gewesen wäre1. Sucht man Parallelen, so muß man hier
eher zu lustinian greifen. Unter Karls Enkel Lothar wurde 824
zuerst der bestimmende Anteil des Königs auch an der Resetzung
dieser höchsten Stelle durch eine Konstitution festgelegt, und das
widerfuhr demselben Papst Eugen II., der zwei Jahre darauf auch
das germanische Eigenkirchenrecht anerkannte2. Der Schmuck
der Kaiserkrone, den sich dann die deutschen Herrscher von Otto I.
1 lb., S. 346—376 (§24: Die Erneuerung des abendl. Kaisertums durch
Karls Theokratie, und § 25: Das universale Staats- und Kirchentum Karls).
— Einhard, Yita Garoli c. 24.
2 Die Const. Romana in Mon. Germ., Leg. I, 240 (für die Bedeutung
z. B. mein Frühmittelalter, S. 398f.) — Die röm. Synode von 826 (c. 21, vgl. 24,
MG., Conc. II, 576): monasterium vel Oratorium, canonice constructum a dominio
constructoris invito non auferatur licealque illi id presbytero cui voluerit — com-
mendare, bestätigt von Leo IV. 853, vgl. auch Stutz, KR. S. 302 („durch eine
röm. Synode Eugens — dem italien. KR, einverleibt“).
Hans v. Schubert:
rieh IV. als sein gutes Recht aus des Vaters Hand übernahm,
geheiligt durch jahrhundertelange Übung, hinabreichend in uralte
Rechtsgewöhnung, auch ein geschlossenes System, von dem Primas
des deutschen Episkopates an, der sein Erzbistum Mainz von der
Krone zu Lehen trug, seine Kontingente stellte und des Reiches
Erzkanzler war, bis hinunter zum Landpfarrer, der mit Weib und
Kind alles andere als kanonisch lebte, alle eng verwachsen in allen
Stufen mit dem nationalen, also auch dem nationalen Rechtsleben
des Volkes.
So stark äußert sich diese Welle germanischen Rechts, daß sie
schließlich auch die Spitze ergriff, Rom, nachdem sich die germa-
nische Macht bis hierhin ausgedehnt hatte, ganz konsequent, da
das ganze System gefährdet war, solange die oberste Rechtsquelle
und das oberste Richtamt außerhalb des Reiches sich dem System
entzog. Man darf schon Karls d. Gr. Staatsidee nicht einseitig
danach beurteilen, daß er sich aus Augustins „Gottesstaat“ hei
Tisch vorlesen ließ: er las Augustin, eben wie ein Karl d. Gr. ihn
las, als der Frankenkönig, der, schon ehe ihm der Papst hinter-
rücks die Kaiserkrone aufs Haupt setzte, sich von Gottes Gnaden
nannte und sich mit dem theokratischen König des Alten Testa-
ments, David, verglich, und er verstand diesen seinen theokrati-
schen Gottesstaat so, daß er über den Papst zu Gericht saß, das
kirchliche Leben seines erweiterten Reiches auch nach seiner
inneren Seite regulierte und durch eine großartige Gesetzgebung
eine Rechtseinheit anstrebte, mit der ein Gregor VII. schlecht
zufrieden gewesen wäre1. Sucht man Parallelen, so muß man hier
eher zu lustinian greifen. Unter Karls Enkel Lothar wurde 824
zuerst der bestimmende Anteil des Königs auch an der Resetzung
dieser höchsten Stelle durch eine Konstitution festgelegt, und das
widerfuhr demselben Papst Eugen II., der zwei Jahre darauf auch
das germanische Eigenkirchenrecht anerkannte2. Der Schmuck
der Kaiserkrone, den sich dann die deutschen Herrscher von Otto I.
1 lb., S. 346—376 (§24: Die Erneuerung des abendl. Kaisertums durch
Karls Theokratie, und § 25: Das universale Staats- und Kirchentum Karls).
— Einhard, Yita Garoli c. 24.
2 Die Const. Romana in Mon. Germ., Leg. I, 240 (für die Bedeutung
z. B. mein Frühmittelalter, S. 398f.) — Die röm. Synode von 826 (c. 21, vgl. 24,
MG., Conc. II, 576): monasterium vel Oratorium, canonice constructum a dominio
constructoris invito non auferatur licealque illi id presbytero cui voluerit — com-
mendare, bestätigt von Leo IV. 853, vgl. auch Stutz, KR. S. 302 („durch eine
röm. Synode Eugens — dem italien. KR, einverleibt“).