Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.
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kanischen Kolonie durch den unter ihnen geschlossenen Vertrag
ins Leben riefen.
Die amerikanische Demokratie liebte es auch in der Folge, sich
mit religiösem Nimbus zu umkleiden. In der alten Welt verblaßte
während des liberalen Zeitalters die Vorstellung vom religiösen Cha-
rakter der Volksherrschaft, und es war, trotz der Auffrischung der
Farben durch die Romantik, der katholischen Betrachtung leicht,
dies abgeblaßte ius divinum des Volkes in der niederen Sphäre des
philosophischen Vernunftrechtes unterzubringen, in die es die Auf-
klärung selbst verwiesen hatte. Und die immer noch lebendige
Auffassung von einem christlichen Naturrecht, das der staatlichen
Gewalt, einerlei in welcher Form, einen relativen Wert, weil gött-
liche Begründung zusprach, gab dem Katholiken das gute Ge-
wissen, sich daran zu beteiligen und mit der Wärme zu erfüllen,
die ihm sein Staats- und Volksgefühl eingab. Das alles mußte erst
zur Klarheit gebracht werden, das heißt, man mußte sich an der
Hand der klassischen, thomistisch-mittelalterlichen Gesellschafts-
lehre auch in dieser modernen Welt zurechtfinden. Aber man sieht:
so sehr sich auch eine Atmosphäre gebildet hatte, in der man im
stolzen Gefühl aufgeklärter Wissenschaft und politischer Vollreife
auf die katholische Kirche und ihr geistliches Recht als Erzeugnis
des dunklen Mittelalters herabsah, die Lage, der sich Rom nun
gegenüber sah, war keineswegs verzweifelt. Gerade die Selbstregie-
rung des Volkes konnte für einen bewußten Katholizismus der Weg
sein, durch Parteibildung seine Belange zur Geltung und bei der
natürlichen Schwäche einer wechselnden, auf Mehrheit angewiesenen
Regierung sogar zur Herrschaft zu bringen ■— Belgien das Schul-
beispiel und Versuchsfeld —, und die Interesse- und Verständnis-
losigkeit der großen kirchlich indifferenten, aber politisch interes-
sierten Volksteile konnte dabei hilfreiche Dienste leisten.
Der eigentümlich komplizierte Charakter der Gegenwart ent-
hüllt sich erst ganz, wenn man ein letztes Moment hinzunimmt,
das aus der bisherigen Entwicklung sich folgerichtig ergab: die
positive Füllung des demokratischen Staates mit nationalen Auf-
gaben, die Selbsterfassung des Volksstaates als Träger, Hüter und
Entfalter einer nationalen Kultur. Was bei uns in Deutschland
1848 auf der Frankfurter Versammlung als Grundrecht der Deut-
schen erschien, hat sich in der Weimarer Verfassung von 1919 zu
einem ganzen zweiten Teil erweitert, der sich als ein umfangreiches
Programm der vom Reiche zu leistenden Kulturarbeit darstellt auf
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kanischen Kolonie durch den unter ihnen geschlossenen Vertrag
ins Leben riefen.
Die amerikanische Demokratie liebte es auch in der Folge, sich
mit religiösem Nimbus zu umkleiden. In der alten Welt verblaßte
während des liberalen Zeitalters die Vorstellung vom religiösen Cha-
rakter der Volksherrschaft, und es war, trotz der Auffrischung der
Farben durch die Romantik, der katholischen Betrachtung leicht,
dies abgeblaßte ius divinum des Volkes in der niederen Sphäre des
philosophischen Vernunftrechtes unterzubringen, in die es die Auf-
klärung selbst verwiesen hatte. Und die immer noch lebendige
Auffassung von einem christlichen Naturrecht, das der staatlichen
Gewalt, einerlei in welcher Form, einen relativen Wert, weil gött-
liche Begründung zusprach, gab dem Katholiken das gute Ge-
wissen, sich daran zu beteiligen und mit der Wärme zu erfüllen,
die ihm sein Staats- und Volksgefühl eingab. Das alles mußte erst
zur Klarheit gebracht werden, das heißt, man mußte sich an der
Hand der klassischen, thomistisch-mittelalterlichen Gesellschafts-
lehre auch in dieser modernen Welt zurechtfinden. Aber man sieht:
so sehr sich auch eine Atmosphäre gebildet hatte, in der man im
stolzen Gefühl aufgeklärter Wissenschaft und politischer Vollreife
auf die katholische Kirche und ihr geistliches Recht als Erzeugnis
des dunklen Mittelalters herabsah, die Lage, der sich Rom nun
gegenüber sah, war keineswegs verzweifelt. Gerade die Selbstregie-
rung des Volkes konnte für einen bewußten Katholizismus der Weg
sein, durch Parteibildung seine Belange zur Geltung und bei der
natürlichen Schwäche einer wechselnden, auf Mehrheit angewiesenen
Regierung sogar zur Herrschaft zu bringen ■— Belgien das Schul-
beispiel und Versuchsfeld —, und die Interesse- und Verständnis-
losigkeit der großen kirchlich indifferenten, aber politisch interes-
sierten Volksteile konnte dabei hilfreiche Dienste leisten.
Der eigentümlich komplizierte Charakter der Gegenwart ent-
hüllt sich erst ganz, wenn man ein letztes Moment hinzunimmt,
das aus der bisherigen Entwicklung sich folgerichtig ergab: die
positive Füllung des demokratischen Staates mit nationalen Auf-
gaben, die Selbsterfassung des Volksstaates als Träger, Hüter und
Entfalter einer nationalen Kultur. Was bei uns in Deutschland
1848 auf der Frankfurter Versammlung als Grundrecht der Deut-
schen erschien, hat sich in der Weimarer Verfassung von 1919 zu
einem ganzen zweiten Teil erweitert, der sich als ein umfangreiches
Programm der vom Reiche zu leistenden Kulturarbeit darstellt auf
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