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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0021
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Politische Prozesse.

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habe, nimmt schon Brunner an1. Dieser Fall der Infidelität, der
mit der zunehmenden Stärkung der merowingischen Königsmacht
immer wichtiger wurde, mochte wohl den Urfall der Sonderstellung
des Königsgerichts im Kontumazialverfahren abgegeben haben.
4. Aber mit dieser Eigenentwicklung des Versäumnisverfah-
rens ist die für die Folgezeit bedeutsame Leistung des fränkischen
Königsrechts noch nicht erschöpft. Sie wird nämlich noch ergänzt
durch ein besonderes königsrechtliches2 Vollstreckungsverfahren,
die Fronung. Diese gehört insofern in unsern Zusammenhang,
als sie ganz spezifisch auf die aus dem Ungehorsam des Beklagten
herausgewachsene prozessualische Situation zugeschnitten ist. Wir
brauchen auf die nur aus Hypothesen zu erschließende Entwick-
lungsgeschichte dieses Instituts in frühkarolingischer Zeit nicht ein-
zugehen. Es genügt hier die Darstellung des für den Reichsprozeß
des Mittelalters maßgebend gewordene Form3, die die Fronung in
der späteren Kapitulariengesetzgebung erhalten hat. Bekanntlich
ist entscheidend geworden das Kapitulare Ludwigs des Frommen
von 8164. Wir sehen in ihm eine eigentümliche Doppelwirkung der
Fronung ausgeprägt5: Einmal soll die Beschlagnahme des Ver-
1 Später erst ist eine Differenzierung eingetreten, insofern als die falsche
Anklage wegen culpae minores als delictum sui generis mit der bisherigen
Lebensgefährdungsbuße von 62y2 sol. bestraft wird, während bei Anklage
wegen crimen unde mori debuisset das Wergeld verfällt. Das deutet eben
darauf hin, daß die Besonderheiten des Infidelitätsverbrechens auf alle Kapital-
verbrechen ausgedehnt werden.
2 Daran ändert nichts, daß die Fronung auf Schöffenurteil hin erfolgte.
Vgl: Planitz, a. a. 0., S. 77.
3 Zum folgenden Sohm, Fränk. Reichs- und Gerichtsverfassung, 121 ff.;
Brunner, D. RG. II, 457; Forschungen, S. 451 ff.; Mayer-Homberg,
281 ff.; Planitz, 68ff.; v. Schwerin, DRG. 183; Schröder-v. Künssberg6
403 mit Lit.; Eichmann, Acht und Bann (1908), 22ff.
4 Die Capitula „legi“ addita von 816, deren c. 5 die später so berühmte
„Lex cuiuscumque“ mit der Einführung der Fronung neueren Stiles bildete
(MG. Capp. I, p. 268ss.), sollen nach Mayer-Homberg 284ff. nur „legi Salicae“
addita und erst durch die Capitula „legibus“ addenda von 818/819 (ebenda I,
283) Reichsrecht geworden sein.
5 Die Hauptstelle lautet: Cuiuscumque hominis proprietas ob crimen ali-
quod ab eo commissum in bannum fuerit missa, et Ule re cognita ne justiciam
faciat venire cListulerit anrmmque ac diem in eo banno esse permisS’erit, ulterius
eam non adquirat, sed ipsa fisco regis societur. Debitum vero, quod is cuius ea
fuit solvere debuit, per comitem ac ministros eius iuxta estimationem damni de
rebus mobilibus que in eadem proprielale invente juerinl his quibus idem debilor
fuit exsolvatur. Quod si rerum mobilium ibidem inventarum quantitas ad com-
positionem non sufficerit, de inmobilibus supplealur, et id quod superfuerit, sicut
dictum est, jiscus regis possedeat.
 
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