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Heinrich Mitteis:
Vorarbeiten von Otto Franklin1 und Hans Niese2 die so müh-
selige Sammlung des in zahlreichen historiographischen Quellen
verstreuten Materials abgenommen ist. Franklin hat in mehreren
Arbeiten3, vor allem aber in seiner groß angelegten und bis heute
noch nicht überbotenen Geschichte des Reichshofgerichtes eine
chronologisch geordnete Aufzählung aller ihm bekannter Hof-
gerichtsprozesse gegeben; Niese hat ihn vielfach berichtigt und
ergänzt. Indessen schrieb Franklin, ehe noch die Theorie des
Prozesses durch die grundlegenden Arbeiten von Bülow und Wach
ihre für die Folgezeit maßgebende Gestalt genommen hatte, deren
Einfluß auch die historische Forschung erst zur gedanklichen Er-
fassung der Genesis von Prozeßrechtssystemen reif gemacht hat;
seine Ausführungen, namentlich im 2. Bande, können daher nicht
mehr voll befriedigen. Niese war andrerseits nicht glücklich in
der Wahl der richtunggebenden Gesichtspunkte und zu sehr im
Banne einer aprioristischen Theorie über das Verhältnis von Land-
und Lehnrecht, als daß er zu völlig geklärten Ergebnissen hätte
gelangen können. Daher können wir e& uns nicht ersparen, unsrer-
seits die chronologische Folge der historisch faßbaren Prozeßverläufe
kurz abzuschreiten, um sie in das bisher gefundene System des
Versäumnisverfahrens einzuordnen.
1. Die Reihe der königsrechtlichen Kontumazialverfahren
politischen Charakters beginnt bereits unter den letzten Karo-
lingern. Sowie sich aus dem Chaos der Auflösung der karolingischen
Gesamtmonarchie die tragenden Motive zu entwickeln beginnen,
auf denen die zukünftigen Jahrhunderte ruhen, setzen auch die
Prozesse ein, die die Kämpfe der königlichen Gewalt gegen das
nur betäubte, nirgendwo ganz vernichtete Stammesherzogtum be-
gleiten. Unklar wie die politische Gesamtsituation sind freilich
noch die Ziele im einzelnen. So wissen wir nur wenig über die
Kämpfe der Herzogsgeschlechter in Franken, aus denen die Kon-
radiner siegreich hervorgehen sollten, um 911 dem Reiche einen
König zu liefern. Aber ein Hofgerichtsurteil ist deutlich über-
liefert4: der Babenberger Adalbert wird 906 vor das Hofgericht
1 Das Reichshofgericht I, 1867.
2 Zum Prozeß Heinrichs des Löwen ZRG. G.A. 34 (1913) S. 195 ff.
3 In Betracht kommt vor allem noch sein Aufsatz „Das königliche und
Reichshofgericht in Deutschland in der Zeit von Heinrich I. bis Lothar von
Sachsen“ in Forschungen zur Deutschen Geschichte IV (1864), S. 463ff.
4 Quelle ist Reginonis abbatis Prumensis Chronicon rec. Fr. Kurze
(Scr. rer. Germ.), 1890, p. 152ss.
Heinrich Mitteis:
Vorarbeiten von Otto Franklin1 und Hans Niese2 die so müh-
selige Sammlung des in zahlreichen historiographischen Quellen
verstreuten Materials abgenommen ist. Franklin hat in mehreren
Arbeiten3, vor allem aber in seiner groß angelegten und bis heute
noch nicht überbotenen Geschichte des Reichshofgerichtes eine
chronologisch geordnete Aufzählung aller ihm bekannter Hof-
gerichtsprozesse gegeben; Niese hat ihn vielfach berichtigt und
ergänzt. Indessen schrieb Franklin, ehe noch die Theorie des
Prozesses durch die grundlegenden Arbeiten von Bülow und Wach
ihre für die Folgezeit maßgebende Gestalt genommen hatte, deren
Einfluß auch die historische Forschung erst zur gedanklichen Er-
fassung der Genesis von Prozeßrechtssystemen reif gemacht hat;
seine Ausführungen, namentlich im 2. Bande, können daher nicht
mehr voll befriedigen. Niese war andrerseits nicht glücklich in
der Wahl der richtunggebenden Gesichtspunkte und zu sehr im
Banne einer aprioristischen Theorie über das Verhältnis von Land-
und Lehnrecht, als daß er zu völlig geklärten Ergebnissen hätte
gelangen können. Daher können wir e& uns nicht ersparen, unsrer-
seits die chronologische Folge der historisch faßbaren Prozeßverläufe
kurz abzuschreiten, um sie in das bisher gefundene System des
Versäumnisverfahrens einzuordnen.
1. Die Reihe der königsrechtlichen Kontumazialverfahren
politischen Charakters beginnt bereits unter den letzten Karo-
lingern. Sowie sich aus dem Chaos der Auflösung der karolingischen
Gesamtmonarchie die tragenden Motive zu entwickeln beginnen,
auf denen die zukünftigen Jahrhunderte ruhen, setzen auch die
Prozesse ein, die die Kämpfe der königlichen Gewalt gegen das
nur betäubte, nirgendwo ganz vernichtete Stammesherzogtum be-
gleiten. Unklar wie die politische Gesamtsituation sind freilich
noch die Ziele im einzelnen. So wissen wir nur wenig über die
Kämpfe der Herzogsgeschlechter in Franken, aus denen die Kon-
radiner siegreich hervorgehen sollten, um 911 dem Reiche einen
König zu liefern. Aber ein Hofgerichtsurteil ist deutlich über-
liefert4: der Babenberger Adalbert wird 906 vor das Hofgericht
1 Das Reichshofgericht I, 1867.
2 Zum Prozeß Heinrichs des Löwen ZRG. G.A. 34 (1913) S. 195 ff.
3 In Betracht kommt vor allem noch sein Aufsatz „Das königliche und
Reichshofgericht in Deutschland in der Zeit von Heinrich I. bis Lothar von
Sachsen“ in Forschungen zur Deutschen Geschichte IV (1864), S. 463ff.
4 Quelle ist Reginonis abbatis Prumensis Chronicon rec. Fr. Kurze
(Scr. rer. Germ.), 1890, p. 152ss.