Metadaten

Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0026
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26

Heinrich Mitteis:

kinds Res gestae Saxonum durchzugehen, um zu erkennen, wie
oft politische Prozesse vor das Königsgericht kamen und wie häufig
sie durch Kontumaz des Beschuldigten erledigt wurden. So blieb
Herzog Eberhard von Franken 936 auf dem Reichstag zu Steele
aus, demselben, auf dem wegen des Repräsentationsrechts der
Enkel gekämpft wurde1; Lindolf und Konrad versitzen 953 die
Ladung nach Fritzlar2; aber über die näheren Einzelheiten des
Verfahrens, die Fristen, die Kontumazialfolgen erfahren wir nichts.
Von Herzog Heinrich von Bayern wissen wir, daß er 976 von einer
Regensburger Synode exkommuniziert wurde; es ist anzunehmen,
daß die Reichsacht nachfolgte3.
4. Zeitlich würde sich hier einfügen lassen der fingierte Prozeß
des Ecbasis captivi4. Bekanntlich enthält diese früheste Tier-
fabel des MA., entstanden ca. 940, den Prozeß vor dem Hofgericht
des Königs Löwe auf Klage des Wolfs gegen den Fuchs wegen
Dienstverweigerung. Auch dieses Verfahren, das heranzuziehen
zweifellos ein glücklicher Gedanke Nieses war, ist ein Kontumazial-
verfahren. Nur müssen gegen allzu weitgehende Verwertung Be-
denken geltend gemacht werden. Die Ecbasis ist gerade in dem
Teile, der den Prozeß gegen den Fuchs schildert, sehr stark kom-
pilatorisch. So lassen sich gerade die Worte5 ,,semel ac bis terque
petitum“ aus denen Niese mit voller Sicherheit den Rechtsbrauch
dreimaliger Ladung erschließen will, aus einer frühchristlichen Vor-
lage (Sedulius)6 belegen. Nun ist es allerdings unwahrscheinlich,
daß der Kompilator sich dieser Vorlage in diesem so leicht kon-
trollierbaren Punkte angeschlossen hätte, wenn er nicht mit der
Praxis des Königsgerichts vertraut gewesen wäre. Wir können also
die Stelle immerhin als Beleg dafür nehmen, daß die durch Cap. VII
zur Lex Sah7 vorgeschriebenen drei Termine sich erhalten haben.
Aber inwieweit das Gedicht mit seiner sonstigen Darstellung des
Prozeßverlaufes, die den König als Rechtsbeuger und Fälter eines
1 Widukind II, 10; Simson, Forsch. D. G. 25, 369ff.
2 Nach Rommel, Forsch, z. deutsch. Gesch. IV, S. 150 ist in Fritzlar
die Acht ausgesprochen worden.
3 MG. LL. III, 485; II, Anh. 171. Uhlirz, Jahrb. d. dtsch. Gesch.
unter Otto II. III (1902), S. 79.
4 Ed. Ernst Voigt, Straßburg 1875.
5 V. 526; Voigt, a. a. O., ,S. 101.
6 Über ihn vgl. Haucks Realenzyklopädie f. prot. Theologie und Kirche
XVIII (1906), S. 124.
7 S. oben S. 16 A. 7.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften