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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0029
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Politische Prozesse.

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später den italienischen Vasallen neue und erhöhte Rechtsgarantien
gegeben werden. Sollte es zu kühn sein, hier einen Kausalzusammen-
hang zwischen dem deutschen Adalbero-Prozeß und den erhöhten
Garantien für die Italiener zu sehen ? Denn mindestens ebenso
wichtig als die Anerkennung der Erblichkeit der Lehen im Manns-
stamme, die gewöhnlich als Hauptvergünstigung des neuen Gesetzes
angesehen wurde, mußte doch den Vasallen die feierliche Verkün-
dung des Grundsatzes1 sein, daß künftig niemand mehr ohne Fest-
stellung eines Verschuldens und ohne gerichtliches Verfahren vor
seinen pares das Lehen einbüßen sollte. Dieses damit legalisierte
Einziehungsverfahren ist aber kein anderes als das Gewereverfahren,
das die karolingische Fronung ins Mittelalter hinein fortsetzte.
Von dieser Beurteilung des schwierigsten politischen Prozesses
Konrads II. fällt nun auch Licht nach rückwärts auf die Verfahren
seiner Frühzeit. Von ihnen hier zu sprechen, ist insofern nicht ganz
konsequent, als weder das Verfahren gegen den Grafen Welf vom
Jahre 1027 noch das gegen Herzog Ernst von Schwaben Kon-
tumazialverfahren sind. Nur deshalb sei ihnen ein kurzer Exkurs
gegönnt, weil sich hei ihnen zum ersten Male die Frage erhebt, ob
sich nicht schon das später so bedeutsam werdende Doppel-
verfahren nach Land- und Lehnrecht ankündigt. Ich möchte
die Frage verneinen. Für das Verfahren gegen Graf Welf liegt die
Versuchung einer solchen Annahme allerdings sehr nahe. Denn als
es zu dem Achtverfahren kam, das übrigens nicht durchgeführt
wurde, war Welf schon nicht mehr im Besitze seiner Reichslehen.
Aber schon Niese hat richtig gesehen, daß ein förmliches Lehns-
verfahren unannehmbar ist; nur stand ihm damals die erst von
Rosen stock erschlossene Parallele zum Adalbero-Verfahren noch
nicht zur Seite. Genau wie dort handelt es sich um ein Disziplinar-
verfahren; es liegt ein Doppelverfahren höchstens in ganz embryo-
nalem Zustande vor. — Im Falle des Herzog Ernst ist die m. E.
richtige Erklärung noch nicht gefunden. Ein Achtspruch wegen
Unterstützung eines Ächters ist sicher bezeugt; aber als „selbst-
verständliche“ Folge der Acht (Niese) möchte ich den Lehnsverlust
bei dem immerhin nicht ganz genau bestimmbaren Charakter der
damaligen Reichsacht doch nicht auffassen. Bekanntlich berichtet
Wipo, daß Ernst auf ein und demselben Hoftag zu Ingelheim sein
1 MG. Gonst. I, p. 90: Statuimus: ut nullus miles .... sine certa eL
convicla culpa suum benejicium perdal, nisi secundum constitucionem anle-
cessorum nostrorum eL iudicium pariuni suorum.
 
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