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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0045
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Politische Prozesse.

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Verdacht aufkommen, daß Konrad nicht nur eine schwere Rechts-
verletzung, sondern auch einen politischen Fehler beging, indem er
die Acht, damals noch ein Machtmittel des Reichs, verschleuderte.
Irgendwelche Wirkungen hat die Ächtung nicht gezeitigt: Wie so
oft, erweist sich auch hier der Rechtsbruch als untaugliches Mittel
der Politik.
Hiermit haben wir aber nur die erste Phase des Rechts-
kampfes zwischen Staufen und Welfen erledigt. Kaum war die
welfische Herrschaft in Sachsen wieder konsolidiert und Heinrich
der Löwe prozeßfähig geworden, als sich der Prozeß um Rayern
aufs neue entspann1. Auf das Stadium des Verfahrens, das noch in
der Regierungszeit Konrads III. liegt, braucht hier nicht näher
eingegangen zu werden2; es ist ein selbständiger Prozeß, der durch
Versäumnis des Klägers sich erledigte. Daher mußte Heinrich
unter der Regierung Friedrichs I. eine neue Klage anstrengen, und
zwar richtete sie sich gegen Heinrich Jasomirgott und fordert die
Herausgabe des zu Unrecht besessenen Rayern. Also eine ganz
regelrechte Klage am Gut, die von einem Lehnsmann gegen den
andern vorgebracht wurde! Es war derselbe Fall des Liegenschafts-
prozesses, wie er im italienischen Hofgericht so oft verhandelt
worden war. In der Tat sehen wir das Verfahren sich ganz ordnungs-
mäßig entwickeln. Der Beklagte wird dreimal geladen und bleibt
aus; den letzten Termin gelingt es ihm zu zweimaliger Vertagung
zu bringen, einmal mit Berufung auf ungenügende Ladung, das
zweitemal wohl auf echte Not; endlich ergeht in Goslar im Juni
1154 ein Versäumnisurteil, das ihm die Gewere aburteilt. Nun
erhält allerdings Heinrich der Löwe erst Oktober 1155 die Investitur
mit Bayern durch Übergabe der Hauptstadt Regensburg und Hul-
digung der Bürger. Diese Einweisung scheint dem zu wider-
sprechen, was oben bei Ekbert festgestellt wurde und im Pro-
zesse von 1180 wieder gezeigt werden wird, daß nämlich die Ad-
1 Jastrow a. a. O. 268ff. macht aus Briefen Wibalds von Stablo wahr-
scheinlich, daß Konrad als Gewähre für Heinrich Jasomirgott eingetreten sei.
Das würde mit dem oben S. 40 über die gewererechtlichen Verpflichtungen
aus dem Fronungsverfahren Vorgetragenen stimmen. Unklar bleibt nur,
warum sich der Beklagte nicht auf Gerichtszeugnis berief.
2 Wenn Jastrow a. a. O. 277 annimmt, man habe nicht gewagt, dem
Anspruch des Welfen durch Gerichtserkenntnis ein Ende zu machen, so kann
ich dem nicht beistimmen. Die dreimalige Versäumnis des Klägers beendet
die Instanz automatisch, ohne den Anspruch des Klägers im übrigen zu prä-
judizieren. Vgl. Planck, Gerichtsverf. II 319 mit Zitaten.
 
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