Politische Prozesse.
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schuldig geblieben. Und es spricht auch keine Vermutung dafür,
eher dagegen. Denn schon Niese hatte mit richtigem Stilgefühl
erkannt, daß ,,citatione vocatus“ eine auffallend dünne Wendung
sei. Das ist aber nicht bloß stilistisch, sondern sachlich höchst
anstößig. Sollte der Diktator der Urkunde wirklich in einem so
wichtigen Dokument, auf dem das Schicksal ganzer Gebietsteile
des Reichs beruhte, es unterlassen haben, ausdrücklich darauf hinzu-
weisen, daß das Hofgericht bei der Ladung des gefährlichsten poli-
tischen Gegners des Kaisers einen noch verhältnismäßig neuen,
bisher nur in Italien angewandten Rechtsbrauch übte ? Gab man
damit nicht jedem Außenstehenden eine Waffe zur Kritik an dem
Urteil in die Hand, indem man diesen neuen Rrauch mehr verbarg
als publizierte ? Und noch dazu, wo gar kein Anzeichen dafür vor-
handen ist, daß es Rarbarossa auf besondere Eile angekommen
wäre! Die Sache wird vollends unwahrscheinlich, wenn man erfährt,
daß noch im 13. und 14. Jahrhundert, als sich der Rrauch der
peremptorischen Ladung längst eingebürgert hatte, niemals ver-
fehlt wurde, darauf hinzuweisen, ja sich eine ganz floskelhafte
Wendung herausbildete, die wir in einer ganzen Reihe von Reichs-
urteilen finden. So wird in der oben schon erwähnten Urkunde
Humbert von Savoyen1 geladen
tandem plurimis edictis et etiam peremptoriis;
vom Grafen Friedrich von Isenburg, dem Mörder Engelberts von
Köln, berichten die Reinhardsbrunner Annalen, zu 1225, man habe
das Urteil gefunden
reum esse peremptorie citandum juxta jus suum2;
am 20. November 1274 wird Ottokar von Rohmen geladen auf den
Reichstag zu Nürnberg3,
quem terminum magnitudini vestre de eorundem principum con-
silio et sententia pro peremptorio prefigimus . . .;
in den italienischen Prozessen Heinrichs VII. ist ständig von peremp-
torischen Ladungen die Rede, so bei der Rannung tuszischer und
lombardischer Städte 13114:
Postmodum et iterato eosdem citari jecimus, certis et legiptimis
terminis eis pro secundo et tercio et perhemptorio assignatis
per iudices prelibatos . . .
1 Zit. bei Güterbock II, 57.
2 Güterbock I, 137.
3 MG. Const. III, p. 61.
4 MG. Const. IV, 2, p. 757.
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schuldig geblieben. Und es spricht auch keine Vermutung dafür,
eher dagegen. Denn schon Niese hatte mit richtigem Stilgefühl
erkannt, daß ,,citatione vocatus“ eine auffallend dünne Wendung
sei. Das ist aber nicht bloß stilistisch, sondern sachlich höchst
anstößig. Sollte der Diktator der Urkunde wirklich in einem so
wichtigen Dokument, auf dem das Schicksal ganzer Gebietsteile
des Reichs beruhte, es unterlassen haben, ausdrücklich darauf hinzu-
weisen, daß das Hofgericht bei der Ladung des gefährlichsten poli-
tischen Gegners des Kaisers einen noch verhältnismäßig neuen,
bisher nur in Italien angewandten Rechtsbrauch übte ? Gab man
damit nicht jedem Außenstehenden eine Waffe zur Kritik an dem
Urteil in die Hand, indem man diesen neuen Rrauch mehr verbarg
als publizierte ? Und noch dazu, wo gar kein Anzeichen dafür vor-
handen ist, daß es Rarbarossa auf besondere Eile angekommen
wäre! Die Sache wird vollends unwahrscheinlich, wenn man erfährt,
daß noch im 13. und 14. Jahrhundert, als sich der Rrauch der
peremptorischen Ladung längst eingebürgert hatte, niemals ver-
fehlt wurde, darauf hinzuweisen, ja sich eine ganz floskelhafte
Wendung herausbildete, die wir in einer ganzen Reihe von Reichs-
urteilen finden. So wird in der oben schon erwähnten Urkunde
Humbert von Savoyen1 geladen
tandem plurimis edictis et etiam peremptoriis;
vom Grafen Friedrich von Isenburg, dem Mörder Engelberts von
Köln, berichten die Reinhardsbrunner Annalen, zu 1225, man habe
das Urteil gefunden
reum esse peremptorie citandum juxta jus suum2;
am 20. November 1274 wird Ottokar von Rohmen geladen auf den
Reichstag zu Nürnberg3,
quem terminum magnitudini vestre de eorundem principum con-
silio et sententia pro peremptorio prefigimus . . .;
in den italienischen Prozessen Heinrichs VII. ist ständig von peremp-
torischen Ladungen die Rede, so bei der Rannung tuszischer und
lombardischer Städte 13114:
Postmodum et iterato eosdem citari jecimus, certis et legiptimis
terminis eis pro secundo et tercio et perhemptorio assignatis
per iudices prelibatos . . .
1 Zit. bei Güterbock II, 57.
2 Güterbock I, 137.
3 MG. Const. III, p. 61.
4 MG. Const. IV, 2, p. 757.