Metadaten

Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0083
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Politische Prozesse.

83

einem Hofgerichtsverfahren gegen Philipp von Flandern gegeben
hat; sei es, daß Philipp August daran dachte, es nach dem Tode
der Gräfin Isabella als erledigtes Lehen einzuziehen, sei es, daß er
es auf Grund früherer vertragsmäßiger Verpflichtungen des Grafen
Philipp herausverlangte. Rigord1 berichtet uns von einer Ver-
sammlung von Fürsten zu Compiegne2, auf der der Kriegszug
gegen Philipp von Flandern beschlossen worden sei. Daraus ließe
sich nicht viel entnehmen; aber eine glückliche Entdeckung Car-
tellieris3 hat uns in einer Wiener Handschrift Stilübungen aus
der Schule des Magisters Bernhard von Meung zu Orleans an die
Hand gegeben, die sowohl ein Ladeschreiben an einen Großen als
die Vorladung des Flandrers selbst nach Paris enthalten. In der er-
steren4 5 erscheint mir am bemerkenswertesten die Aufforderung zum
Mitbringen von Rechtsgelehrten, die des geistlichen und weltlichen
Rechtes kundig seien; im Schreiben an Philipp von Flandern4
tritt vor allem die Androhung der diffidatio als Säumnisfolge
hervor. Dadurch charakterisiert sich der Prozeß ohne weiteres als
Lehnsprozeß; denn daß diffidare der technische Ausdruck für die
Lehnsentziehung war, wird bei der Erörterung des Prozesses gegen
Johann ohne Land noch gezeigt werden. Aus dem ganzen Zu-
sammenhänge läßt sich also schließen, daß es 1184 zu einer lehn-
1 Ed. DELABORDE,CEuvres de Rigord et de Guillaume le Breton, Paris
1882, c. 26, p. 40.
2 Nach Delaborde, a. a. O., p. 41, Nr. 3, hat die Versammlung' in Paris
stattgefunden. S. unten im Texte.
3 Beilage 13 B zu Bd. I des zit. Werkes.
4 Ebenda S. 90: Rex episcopo, ut ad diem cause sue veniat et viros sapientes
in legibus secum adducat. Comes Flandrensium in nostra curia mecliante iudicio
decidi postulat, an in manu sua relinqui debeat illa terra, de qua diu contendimus,
an ad manum regis ea opporleat oblegata calumpnia pervenire. Vestram ergo
prudentiam exoramus, ut ad diem cause nostre, quam nostra pagina vobis in-
sinuat, accedatis et perfectos viros in legibus ac decrelis, quorum consilio multaque
prudentia causa nostra sit firmior, adducatis. Über Ladungen zu Hoftagen vgl.
auch H. Froidevaux, De regiis consiliis Philippo Augusto regnante habitis
These, Paris 1891, p. 39ss. Über das Aufkommen gelehrter Richter im franz.
Königsgericht vgl. Chenon in Melanges Fitting I (1907), p. 191 ss. (beginnt
jedoch erst 1216).
5 A. a. O., S. 91: Ph[ilippus] Dei gratia F(rancorum) rex R. Flandrensi
comiti, proul meruit. Mullas pertulimus et nunc quoque perjerimus a vobis in-
iurias et [ut?) perferre de celero nos puderet. Mandantes igitur vos monemus,
ut in quarta quadragesimali dominica sitis Parisius in nostra presenlia salis-
factionem debilam et, quod nostra dictabit curia, prestiturus, alioquin a nobis et
a nostris baronibus vos esse noveritis diff idatum.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften