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Heinrich Mitteis:
Ausschlußwirkung gegen den säumig Ausbleibenden auch über den
Prozeß hinaus Einfluß gewann, insofern nämlich, als eine Reihe
wichtiger Staatsakte, die die Teilnahme Mehrerer voraussetzten,
ihm untergeordnet wurden, insbesondere seit der Bildung des Kur-
fürstenkollegs die Königswahl. Es werden die an die Kurfürsten
ergehenden Ladungsschreiben1 daraufhin zu prüfen sein, welche
Versäumnisnachteile sie dem Ausbleibenden androhen, und es wird
sich ferner ergeben, daß der bekannten Bestimmung der Goldenen
Bulle2, wonach die Anwesenheit von vier Kurfürsten als für die
Majoritätsentscheidung genügend angesehen wird, nur von diesem
Prinzip aus verstanden werden kann; genau wie der abwesende
Beklagte im Prozeß seine Verteidigungsmittel, so verliert der aus-
bleibende Kurfürst sein Stimmrecht im konkreten Falle, er wird
von der Wahl ausgeschlossen, ohne daß an der Gültigkeit desWahl-
aktes irgend etwas sich ändert.
* *
*
Kehren wir von diesem Ausblick nochmals zu unserer eigent-
lichen Aufgabe zurück! Konfrontieren wir noch einmal die beiden
großen Gerichtsverfahren, die wir als Schlußsteine unserer Ent-
wicklungslinien kennengelernt haben. Wie ähnlich sind sie sich in
ihrem ganzen Verlauf! Beides Kontumazialverfahren, beides
Doppelverfahren nach Land- und nach Lehnrecht, und in beiden
Fällen das Lehnsurteil gegenüber dem landrechtlichen das bei
weitem bedeutsamere. Denn es bedingt die Stellung, die die Pro-
zesse in der verfassungsrechtlichen Entwicklung der beiden Länder
einnehmen — und es bedingt sie im Sinne einer vollständigen
Gegensätzlichkeit. In der Morphologie des Verfassungslebens
stehen beide Prozesse an genau der gleichen Stelle, sie sind „gleich-
zeitig“ auch in einem höheren Sinne: Beide Male handelt es sich um
die Befreiung der Zentralgewalt aus der Umklammerung durch die
Territorialgewalten, die sie zu ersticken drohen. Aber die Aus-
nützung dieses königlichen Sieges ist in Frankreich ganz anders
gelungen als in Deutschland.
1 Vorläufig vgl. z. B. die Ladung Baldwins von Trier bei Stengel, Nova
Alamannia (1921), p. 114: Cum intimatione, sive veneritis sive non, nihilo-
minus ad eandem electionem per nos et alios principes procedatur, ne ex post
facto dicta electio possit dici minus sollempniter celebrata. S. auch oben S. 58 A. 4.
2 G. B. I, § 18; II, § 5; vgl. Zeumer, Die Goldne Bulle Kaiser Karls
des Vierten II, S. 13, 16; vgl. auch ebenda I, S. 17, 21.
Heinrich Mitteis:
Ausschlußwirkung gegen den säumig Ausbleibenden auch über den
Prozeß hinaus Einfluß gewann, insofern nämlich, als eine Reihe
wichtiger Staatsakte, die die Teilnahme Mehrerer voraussetzten,
ihm untergeordnet wurden, insbesondere seit der Bildung des Kur-
fürstenkollegs die Königswahl. Es werden die an die Kurfürsten
ergehenden Ladungsschreiben1 daraufhin zu prüfen sein, welche
Versäumnisnachteile sie dem Ausbleibenden androhen, und es wird
sich ferner ergeben, daß der bekannten Bestimmung der Goldenen
Bulle2, wonach die Anwesenheit von vier Kurfürsten als für die
Majoritätsentscheidung genügend angesehen wird, nur von diesem
Prinzip aus verstanden werden kann; genau wie der abwesende
Beklagte im Prozeß seine Verteidigungsmittel, so verliert der aus-
bleibende Kurfürst sein Stimmrecht im konkreten Falle, er wird
von der Wahl ausgeschlossen, ohne daß an der Gültigkeit desWahl-
aktes irgend etwas sich ändert.
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Kehren wir von diesem Ausblick nochmals zu unserer eigent-
lichen Aufgabe zurück! Konfrontieren wir noch einmal die beiden
großen Gerichtsverfahren, die wir als Schlußsteine unserer Ent-
wicklungslinien kennengelernt haben. Wie ähnlich sind sie sich in
ihrem ganzen Verlauf! Beides Kontumazialverfahren, beides
Doppelverfahren nach Land- und nach Lehnrecht, und in beiden
Fällen das Lehnsurteil gegenüber dem landrechtlichen das bei
weitem bedeutsamere. Denn es bedingt die Stellung, die die Pro-
zesse in der verfassungsrechtlichen Entwicklung der beiden Länder
einnehmen — und es bedingt sie im Sinne einer vollständigen
Gegensätzlichkeit. In der Morphologie des Verfassungslebens
stehen beide Prozesse an genau der gleichen Stelle, sie sind „gleich-
zeitig“ auch in einem höheren Sinne: Beide Male handelt es sich um
die Befreiung der Zentralgewalt aus der Umklammerung durch die
Territorialgewalten, die sie zu ersticken drohen. Aber die Aus-
nützung dieses königlichen Sieges ist in Frankreich ganz anders
gelungen als in Deutschland.
1 Vorläufig vgl. z. B. die Ladung Baldwins von Trier bei Stengel, Nova
Alamannia (1921), p. 114: Cum intimatione, sive veneritis sive non, nihilo-
minus ad eandem electionem per nos et alios principes procedatur, ne ex post
facto dicta electio possit dici minus sollempniter celebrata. S. auch oben S. 58 A. 4.
2 G. B. I, § 18; II, § 5; vgl. Zeumer, Die Goldne Bulle Kaiser Karls
des Vierten II, S. 13, 16; vgl. auch ebenda I, S. 17, 21.