Politische Prozesse.
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Hirschs1, dies außer Streit gestellt zu haben. Wir haben also im
„gemischten“ Lehnrecht oder besser gesagt vielleicht im Gerichts-
verfassungsrecht eine genaue Entsprechung zu den rein lehnrecht-
lichen, oben geschilderten Vorgängen: Genau wie es dort ein Eigen-
recht des Lehns gibt, das der Konsolidation mit dem Eigentum die
Stirne bietet, so haben hier autogene Gerichtsgewalten so viel Kon-
sistenz errungen, daß sie der Aufsaugung durch die königliche
Gewalt zu widerstehen vermochten. Dazu kommt, daß das König-
tum rein faktisch gar nicht in der Lage gewesen wäre, jenen An-
spruch auf alleinige Wahrung der Gerichtsverfassung in die Tat
umzusetzen. Hirsch hat weiter gezeigt2, daß die Herzogtümer
nicht, wie man vielfach annahm, lediglich zersetzende Gifte im
Körper der deutschen Reichsverfassung, sondern zugleich unent-
behrliche Ordnungszellen im Kampfe um den Landfrieden waren.
So war es vielleicht nicht nur das Bewußtsein, rechtlichem Zwange
zu unterliegen, die opinio necessitatis, die Barbarossa zu seiner
Handlungsweise im Jahre 1180 zwang, sondern ihn leitete auch die
praktische Vernunft, die Staatsraison. Recht und Politik befinden
sich in vollster Harmonie.
Bekanntlich hat es Heinrich VI. mehrfach versucht, den Satz
vom Leihezwang zu brechen3. Er durfte vielleicht im Vertrauen auf
seinen Genius hoffen, ihm seinen rationellen Boden entziehen zu
können, den durch Ausschaltung der lehnrührigen Gerichtsbarkeit
freiwerdenden Raum mit reichseigner Justizverwaltung ausfüllen
zu können. Er tat genau dasselbe wie Philipp August in Frank-
reich, nur mit anderm Erfolg. Hätte er seine großzügigen Pläne
durchführen können, so wäre der Satz vom Leihezwang vielleicht
ebenso spurlos verschwunden wie in Frankreich und in den späteren
deutschen Territorien. Der Zusammenbruch der staufischen Politik
weckte die Opposition und schärfte ihr den Blick für die Gefahr,
die der verfassungsrechtlichen Stellung der Herzogtümer durch
eine solch rücksichtslose Konzentrationspolitik drohte. Und so
konkretisierte sich der Satz vom Leihezwang, er trat aus dem
Unterbewußtsein in die Sphäre des Bewußten. Eike stellte das
Recht seiner Zeit richtig dar, als es ihn aufnahm. Er war hier
konservativ wie sonst auch und folglich nicht unitarisch. Ist er
doch auch sonst geneigt, neben der Reichsgewalt selbständigen
1 Hohe Gerichtsbarkeit, insbes. Zusammenfassung, S. 221 ff.
2 S. 210ff., 237ff.
3 Vgl. Toeche, Jahrb. Heinrichs VI (1867) S. 166, 394.
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Hirschs1, dies außer Streit gestellt zu haben. Wir haben also im
„gemischten“ Lehnrecht oder besser gesagt vielleicht im Gerichts-
verfassungsrecht eine genaue Entsprechung zu den rein lehnrecht-
lichen, oben geschilderten Vorgängen: Genau wie es dort ein Eigen-
recht des Lehns gibt, das der Konsolidation mit dem Eigentum die
Stirne bietet, so haben hier autogene Gerichtsgewalten so viel Kon-
sistenz errungen, daß sie der Aufsaugung durch die königliche
Gewalt zu widerstehen vermochten. Dazu kommt, daß das König-
tum rein faktisch gar nicht in der Lage gewesen wäre, jenen An-
spruch auf alleinige Wahrung der Gerichtsverfassung in die Tat
umzusetzen. Hirsch hat weiter gezeigt2, daß die Herzogtümer
nicht, wie man vielfach annahm, lediglich zersetzende Gifte im
Körper der deutschen Reichsverfassung, sondern zugleich unent-
behrliche Ordnungszellen im Kampfe um den Landfrieden waren.
So war es vielleicht nicht nur das Bewußtsein, rechtlichem Zwange
zu unterliegen, die opinio necessitatis, die Barbarossa zu seiner
Handlungsweise im Jahre 1180 zwang, sondern ihn leitete auch die
praktische Vernunft, die Staatsraison. Recht und Politik befinden
sich in vollster Harmonie.
Bekanntlich hat es Heinrich VI. mehrfach versucht, den Satz
vom Leihezwang zu brechen3. Er durfte vielleicht im Vertrauen auf
seinen Genius hoffen, ihm seinen rationellen Boden entziehen zu
können, den durch Ausschaltung der lehnrührigen Gerichtsbarkeit
freiwerdenden Raum mit reichseigner Justizverwaltung ausfüllen
zu können. Er tat genau dasselbe wie Philipp August in Frank-
reich, nur mit anderm Erfolg. Hätte er seine großzügigen Pläne
durchführen können, so wäre der Satz vom Leihezwang vielleicht
ebenso spurlos verschwunden wie in Frankreich und in den späteren
deutschen Territorien. Der Zusammenbruch der staufischen Politik
weckte die Opposition und schärfte ihr den Blick für die Gefahr,
die der verfassungsrechtlichen Stellung der Herzogtümer durch
eine solch rücksichtslose Konzentrationspolitik drohte. Und so
konkretisierte sich der Satz vom Leihezwang, er trat aus dem
Unterbewußtsein in die Sphäre des Bewußten. Eike stellte das
Recht seiner Zeit richtig dar, als es ihn aufnahm. Er war hier
konservativ wie sonst auch und folglich nicht unitarisch. Ist er
doch auch sonst geneigt, neben der Reichsgewalt selbständigen
1 Hohe Gerichtsbarkeit, insbes. Zusammenfassung, S. 221 ff.
2 S. 210ff., 237ff.
3 Vgl. Toeche, Jahrb. Heinrichs VI (1867) S. 166, 394.