Gerhard Ritter: Studien zur Spätscholastik. III.
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Zu ihrer Beantwortung standen bisher sehr unzureichende
Quellen zur Verfügung: Außer den sog. Ketzerakten von teilweise
recht zweifelhaftem Wert in der Hauptsache nur der große Ablaß-
traktat Wesels in einer unkritischen, von Lese- und Schreibfehlern
strotzenden und, wie sich jetzt herausstellt, auch nicht ganz voll-
ständigen Ausgabe des 18. Jahrhunderts1. Darüber hinaus hat
Paulus einer Exzerptensammlung Usingens ein paar Sätze ent-
nommen, die einem Briefwechsel Johanns mit dem Mainzer Prediger
Johann von Kaiserslautern entstammen2. Die Schriften Wesels
aus seiner Erfurter Dozentenzeit, von deren Existenz man schon
länger weiß, sind bisher unbenützt geblieben3, ebenso seine „Übun-
gen“ (nicht Vorlesungen!) über „alte“ und „neue Logik“, die ein
Augsburger Student 1462 in Basel abgeschrieben hat4.
Um nun zunächst über die ursprüngliche scholastische Partei-
stellung Wesels ins klare zu kommen, habe ich mir die wichtigsten
dieser Schriften, nämlich die „Logik“ und den Sentenzenkommentar,
vorgenommen5. Jene stellt aber, wie ich mich überzeugen mußte,
1 Sorgsame Aufzählung von Quellen und Literatur durch 0. Clemen in
PRE3, Bd. 21, S. 127ff. (1908).
2 Paulus, Katholik (1898), I, 55f., nach dem cod. M. ch. o. 34 Bl. 69
bis 71 der Würzburger U.-B.
3 Es sind: Quaestiones (exercicium) de libris physicorum Aristotelis,
Quartband 307 der Amploniana zu Erfurt (S. Schum, Beschreibendes Ver-
zeichnis der amplonianischen Handschriftensammlung 543); Sentenzen-Kom-
mentar 1. I—III, Berlin. Staatsbibi, theol. lat. fol. nr. 97 (s. Val. Rose II, 1,
nr. 572), Papierhs. (nicht: „chart.“, wie Clemen a. a. O. 130 angibt) des
15. Jahrhunderts. Ein zweites Exemplar dieses Kommentars findet sich, was
Clemen übersehen hat, in der Vatikana: Cod. Pal. lat. 337 (= Stevenson I,
p. 90). Leider fehlt auch hier das vierte Buch. Die Angabe Stevensons
(1. I—IV) ist ungenau, wie mir die Verwaltung der vatikanischen Bibliothek
(Mons. Mercati) freundlichst mitteilt. Die Bezeichnung des Pal. lat. 336 als
eine Schrift Wesels ist unbegründet und von Stevenson ohne Nachprüfung aus
einem Katalog des 17. Jahrhunderts übernommen.
4 Cod. lat. Monac. 6971, vgl. N. Paulus, Z. f. kath. Theol. 27, S. 601 f.
Die Bezeichnung ,,exercicium“ ausdrücklich auf fol. 78. Über den Lüiterschied
von lectio und exercicium werde ich Näheres in meiner Heidelberger Uni-
versitätsgeschichte beibringen. — Das Stück ,,de anima“ (bei Clemen a. a. O.
130, Druckfehler: de omnial) fol. 158a—194b ist zwar von der gleichen Hand
geschrieben, wie die vorhergehenden, weist aber durch sonst nichts auf die
Autorschaft Wesels hin! ich möchte es also bis auf weiteres ganz fallen lassen.
5 Auf die „Physik“ konnte ich schon aus dem Grunde verzichten, weil
in diesen Kommentaren überall eine ganz äußerliche Schultradition ohne
eigene Stellungnahme zu philosophischen Problemen vorgetragen zu werden
pflegt, zumal in den „exercicia“.
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Zu ihrer Beantwortung standen bisher sehr unzureichende
Quellen zur Verfügung: Außer den sog. Ketzerakten von teilweise
recht zweifelhaftem Wert in der Hauptsache nur der große Ablaß-
traktat Wesels in einer unkritischen, von Lese- und Schreibfehlern
strotzenden und, wie sich jetzt herausstellt, auch nicht ganz voll-
ständigen Ausgabe des 18. Jahrhunderts1. Darüber hinaus hat
Paulus einer Exzerptensammlung Usingens ein paar Sätze ent-
nommen, die einem Briefwechsel Johanns mit dem Mainzer Prediger
Johann von Kaiserslautern entstammen2. Die Schriften Wesels
aus seiner Erfurter Dozentenzeit, von deren Existenz man schon
länger weiß, sind bisher unbenützt geblieben3, ebenso seine „Übun-
gen“ (nicht Vorlesungen!) über „alte“ und „neue Logik“, die ein
Augsburger Student 1462 in Basel abgeschrieben hat4.
Um nun zunächst über die ursprüngliche scholastische Partei-
stellung Wesels ins klare zu kommen, habe ich mir die wichtigsten
dieser Schriften, nämlich die „Logik“ und den Sentenzenkommentar,
vorgenommen5. Jene stellt aber, wie ich mich überzeugen mußte,
1 Sorgsame Aufzählung von Quellen und Literatur durch 0. Clemen in
PRE3, Bd. 21, S. 127ff. (1908).
2 Paulus, Katholik (1898), I, 55f., nach dem cod. M. ch. o. 34 Bl. 69
bis 71 der Würzburger U.-B.
3 Es sind: Quaestiones (exercicium) de libris physicorum Aristotelis,
Quartband 307 der Amploniana zu Erfurt (S. Schum, Beschreibendes Ver-
zeichnis der amplonianischen Handschriftensammlung 543); Sentenzen-Kom-
mentar 1. I—III, Berlin. Staatsbibi, theol. lat. fol. nr. 97 (s. Val. Rose II, 1,
nr. 572), Papierhs. (nicht: „chart.“, wie Clemen a. a. O. 130 angibt) des
15. Jahrhunderts. Ein zweites Exemplar dieses Kommentars findet sich, was
Clemen übersehen hat, in der Vatikana: Cod. Pal. lat. 337 (= Stevenson I,
p. 90). Leider fehlt auch hier das vierte Buch. Die Angabe Stevensons
(1. I—IV) ist ungenau, wie mir die Verwaltung der vatikanischen Bibliothek
(Mons. Mercati) freundlichst mitteilt. Die Bezeichnung des Pal. lat. 336 als
eine Schrift Wesels ist unbegründet und von Stevenson ohne Nachprüfung aus
einem Katalog des 17. Jahrhunderts übernommen.
4 Cod. lat. Monac. 6971, vgl. N. Paulus, Z. f. kath. Theol. 27, S. 601 f.
Die Bezeichnung ,,exercicium“ ausdrücklich auf fol. 78. Über den Lüiterschied
von lectio und exercicium werde ich Näheres in meiner Heidelberger Uni-
versitätsgeschichte beibringen. — Das Stück ,,de anima“ (bei Clemen a. a. O.
130, Druckfehler: de omnial) fol. 158a—194b ist zwar von der gleichen Hand
geschrieben, wie die vorhergehenden, weist aber durch sonst nichts auf die
Autorschaft Wesels hin! ich möchte es also bis auf weiteres ganz fallen lassen.
5 Auf die „Physik“ konnte ich schon aus dem Grunde verzichten, weil
in diesen Kommentaren überall eine ganz äußerliche Schultradition ohne
eigene Stellungnahme zu philosophischen Problemen vorgetragen zu werden
pflegt, zumal in den „exercicia“.