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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 5. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 3: Neue Quellenstücke zur Theologie des Johann von Wesel — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38927#0014
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Gerhard Ritter:

oder fand andere Kompromißlösungen. Demgegenüber scheint mir
die unbedingte Entschlossenheit, mit der Johann von Wesel jeden
Einfluß der Gestirne auf die irdische Welt außer der bloßen illumi-
nacio ablehnt* 1, recht bemerkenswert ■—- solange nicht etwa eine
ältere Vorlage seines Schriftchens nachgewiesen ist. Der Satz:
„Astra sicut non necessitant inferiora, sic nec inclinant eau klingt
fast wie eine bewußte Ablehnung der üblichen Kompromisse! Übri-
gens wird man in diesem Zusammenhang auch hinweisen dürfen
auf seine entschlossene Leugnung aller Wirksamkeit geweihter
Wässer, Palmen, Salböle, Kerzen u. dgl. m.2. Dasselbe skeptisch-
rationale Denken des Aristotelikers äußert sich in dem einen wie
in dem anderen Fall.
Zur Beurteilung der eigentlich theologischen Stücke fehlt uns
leider fast durchweg das wichtige Hilfsmittel der Datierung. Nach
den eigenen Aussagen des Magisters imVerhör müßte man annehmen,
daß er seine eigentlich ketzerischen Überzeugungen seit Anfang der
70er Jahre (etwa 1473) gewonnen hat3 (also in hohem Greisenalter,
da er 1479 als fast 80jähriger, altersschwacher Greis erscheint,
körperlich außerstande, den vorgeschriebenen Fußfall vor dem
Gerichtshof auszuführen). Tatsächlich entwickelt er in dem 1470
geschriebenen größeren Marientraktat bereits vollständig seine
(später als pelagianisch verurteilte) Erbsündenlehre, und in dem
Briefwechsel mit Johann von Kaiserslautern von 14724 bereits alle
wesentlichen Elemente der später verurteilten Irrlehren über die
Kirchengewalt. Weitere chronologische Anhaltspunkte zur Be-
urteilung seiner inneren Entwicklung fehlen. Denn die auf 1468
datierte Synodalpredigt (B 11), vor Klerikern gehalten, läßt von
vornherein (auch ihrem Thema nach) eine Äußerung kritisch-
oppositioneller Art kaum erwarten. Immerhin scheint der Eingang
41, 116. Thorndike, A history of magical and experimental Science (1923,
New York) II, capp. 58—62. Auch Nikolaus Magni in seinem tractatus de
superstitionibus meint: ,,Licet astronomi vel demones coniecturando seu secun-
dum legem astrorum, utpote quando divinatur stella, que habet impressionem
super' dwersos humores dispositive ad diversos mores, et huius modi asserciones,
possint vera predicere, extendendo tarnen ultra vim astrorum ’solum dia-
bolica consequencia graviter incipiunt errare, immo et sepe falsa pronunciare,
nisi assit diabolus quidam (C.l.m. 5867, fol. 152v, coroll. 4).
1 Sogar die Erzeugung von Ebbe und Flut durch die Anziehungskraft
des Mondes zieht er lebhaft in Zweifel!
2 Ketzerverhör, articuli additionales, bei d’Argentre 296.
3 Vgl. DZ GW II, 172.
4 Irrige Datierung durch Paulus, Katholik, 1898, S. 56.
 
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