Studien zur Spätscholastik. III.
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beamten und Räten, Vertretern des Domkapitels, dem Pfarrer von
Frankfurt, dem Rektor und Artistendekan der Mainzer Universität
über Form und Ordnung des Prozesses. Während der Beratung
treffen die Kölner Abgesandten, darunter der Inquisitor Gerhardus
Elten ein, man verteilt die Schriften Wesels unter die Mitglieder
einer Kommission, um die Anklagepunkte daraus zusammen-
zustellen, und beendet alle diese Vorbereitungen am Samstag, so daß
der Prozeß am Montag eröffnet werden kann. Das alles — nüchtern-
sachlich berichtet — würde an sich nichts Auffälliges bieten, wenn
nicht in den Bericht Behauptungen von offenbarer Parteilichkeit
eingeflochten wären; sie stehen alle miteinander auf der ersten
Seite1, ja innerhalb des ersten Satzes — so gewaltsam in den Fluß
der Erzählung eingezwängt, daß darüber die Satzkonstruktion zer-
bricht und mit ,,inquam“ künstlich wieder aufgenommen werden
muß. Gewisse Thomisten, heißt es, hätten den Erzbischof zu
seinem Vorgehen aufgestachelt, ja gezwungen; denn mit der Kurie
schon seit längerer Zeit in Konflikt, hätte er deren Zorn für sich
selber fürchten müssen; sie hätten ihm damit gedroht, und er
wäre vor dieser Drohung um so eher zurückgewichen, als sein Stift
bereits früher einmal die Folgen des römischen Zornes grausam
verspürt hatte2.
Sonderbar! War es denn wirklich erst nötig, daß „Thomisten“
kamen, um die Häresie der Weselschen Lehren zu entdecken?
War denn im Emst daran zu denken, daß ein deutscher Kirchen-
fürst über solche Ketzereien hinwegsah, wenn sie bei seinem Fiskal
offiziell zur Anzeige gebracht wurden, wie es uns Wigand Wirt
glaubhaft berichtet3 ?
Aber es kommt noch viel sonderbarer. An den Schluß des
ganzen Berichtes angehängt ist eine Kritik, die sich von dem Text
der Erzählung deutlich abhebt durch die Worte: Hujus doctoris
Joannis de Wesalia examini et inquisitioni interfui ego ipse, qui haec
scribo, in Moguntiaco sub Archiepiscopo domino Diethero de Isen-
1 d’Argentre 292, Sp. 1—2.
2 Natürlich ist hier an die Absetzung Diethers durch Pius II. 1461 und
den mainzischen Krieg 1461—63 gedacht.
3 Siehe Paulus, Katholik (1898) I, 51. Die wahre Gesinnung des Erz-
bischofs kommt doch wohl in der spöttischen Bemerkung zutage, mit der er
Wesels verzweifelte Klagen während der Verbrennung seiner Schriften auf-
nahm: 1. c. 52, N.
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beamten und Räten, Vertretern des Domkapitels, dem Pfarrer von
Frankfurt, dem Rektor und Artistendekan der Mainzer Universität
über Form und Ordnung des Prozesses. Während der Beratung
treffen die Kölner Abgesandten, darunter der Inquisitor Gerhardus
Elten ein, man verteilt die Schriften Wesels unter die Mitglieder
einer Kommission, um die Anklagepunkte daraus zusammen-
zustellen, und beendet alle diese Vorbereitungen am Samstag, so daß
der Prozeß am Montag eröffnet werden kann. Das alles — nüchtern-
sachlich berichtet — würde an sich nichts Auffälliges bieten, wenn
nicht in den Bericht Behauptungen von offenbarer Parteilichkeit
eingeflochten wären; sie stehen alle miteinander auf der ersten
Seite1, ja innerhalb des ersten Satzes — so gewaltsam in den Fluß
der Erzählung eingezwängt, daß darüber die Satzkonstruktion zer-
bricht und mit ,,inquam“ künstlich wieder aufgenommen werden
muß. Gewisse Thomisten, heißt es, hätten den Erzbischof zu
seinem Vorgehen aufgestachelt, ja gezwungen; denn mit der Kurie
schon seit längerer Zeit in Konflikt, hätte er deren Zorn für sich
selber fürchten müssen; sie hätten ihm damit gedroht, und er
wäre vor dieser Drohung um so eher zurückgewichen, als sein Stift
bereits früher einmal die Folgen des römischen Zornes grausam
verspürt hatte2.
Sonderbar! War es denn wirklich erst nötig, daß „Thomisten“
kamen, um die Häresie der Weselschen Lehren zu entdecken?
War denn im Emst daran zu denken, daß ein deutscher Kirchen-
fürst über solche Ketzereien hinwegsah, wenn sie bei seinem Fiskal
offiziell zur Anzeige gebracht wurden, wie es uns Wigand Wirt
glaubhaft berichtet3 ?
Aber es kommt noch viel sonderbarer. An den Schluß des
ganzen Berichtes angehängt ist eine Kritik, die sich von dem Text
der Erzählung deutlich abhebt durch die Worte: Hujus doctoris
Joannis de Wesalia examini et inquisitioni interfui ego ipse, qui haec
scribo, in Moguntiaco sub Archiepiscopo domino Diethero de Isen-
1 d’Argentre 292, Sp. 1—2.
2 Natürlich ist hier an die Absetzung Diethers durch Pius II. 1461 und
den mainzischen Krieg 1461—63 gedacht.
3 Siehe Paulus, Katholik (1898) I, 51. Die wahre Gesinnung des Erz-
bischofs kommt doch wohl in der spöttischen Bemerkung zutage, mit der er
Wesels verzweifelte Klagen während der Verbrennung seiner Schriften auf-
nahm: 1. c. 52, N.