Studien zur Spätscholastik. III.
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rekter Theologe des 15. Jahrhunderts hier im Ernst schwanken —
sofern er den Verhandlungen persönlich beiwohnte, die Hartnäckig-
keit des Ketzers mit ansah und nicht (wie vielleicht die Engeling
und Kaisersberg) nur gerüchtweise von seinen Äußerungen hörte ?
Seine Beschwerden sogleich zu begründen, hat unser Kritiker nicht
den leisesten Versuch gemacht. Der Prozeßbericht stellt vielmehr
selber ausdrücklich die Menschenfreundlichkeit des Inquisitors ans
Licht, der dem Angeklagten Gelegenheit gibt, sich durch Widerruf
und Generalabbitte vor Beginn des Verhörs aller weiteren Ver-
handlung zu entziehen.
Wer ist der Autor? Nehmen wir an, der ganze Bericht in der
Fassung A sei von ein und derselben Persönlichkeit geschrieben
(so bisher die allgemeine Annahme), so ergeben sich die größten
Schwierigkeiten. Die Schlußsätze weisen eindeutig auf einen Heidel-
berger „modernus“, Gegner der Kölner ,,thomistischen“ Domini-
kaner. Er selber zählt auf, wer aus Heidelberg anwesend war;
darunter war Nikolaus von Wachenheim der einzige ,,Marsilianer“,
die beiden andern, Henricus de Amsterdam und Jodocus de Calbo,
bekannte Führer der via antiqua. Also bleibt kein anderer Schluß:
Magister Nikolaus hätte nomine universitatis (ergänze: Heidel-
bergensis) das Einladungsschreiben Erzbischof Diethers beantwortet
und wäre zugleich Verfasser unseres Berichts. Aber ist das denkbar ?
Der Ketzerrichter selber ein so strenger Kritiker des Verfahrens ?
Und er deutet nicht einmal an, daß er im Kollegium überstimmt
worden sei ? Nikolaus von Wachenheim war 1479 einer der Senioren
der theologischen Fakultät1, bereits 1472 zum siebten Male Rektor
gewesen. Undenkbar also war es nicht — obgleich verwunderlich —-,
daß er und nicht der derzeitige Rektor (der Jurist Nikolaus Mör-
singer) im Namen der Universität jene Einladung Diethers beant-
wortete. Wir besitzen das Antwortschreiben in doppelter Ab-
schrift2: beide Male bloß unterzeichnet: Rector ac Universitas tota
studii Iieidelbergensis. Es strömt über von Devotion und Schmei-
chelei gegen den erhabenen Fürsten, der durch ein so heiliges und
1 Immatr. 1422; 1430 mag. und decanus fac. art.; 1434 presentatus ad
legendum sentencias, die er 1435 zu lesen beginnt, damals plebanus Heidel-
bergensis. Seit 1440 als prof. theol. aufgeführt, schon 1436 zum ersten Male
Rektor. Da die via antiqua erst 1452 in Heidelberg eingeführt wurde, gehörte
Wachenheim zu der herkömmlichen Schule der Marsilianer (moderni).
2 Winkelmann, U. B. der Univ. Heidelberg I, nr. 132, nach a. u. III,
209; vollständig gleichlautend sodann: C.l.m. 443, fol. 186f.
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rekter Theologe des 15. Jahrhunderts hier im Ernst schwanken —
sofern er den Verhandlungen persönlich beiwohnte, die Hartnäckig-
keit des Ketzers mit ansah und nicht (wie vielleicht die Engeling
und Kaisersberg) nur gerüchtweise von seinen Äußerungen hörte ?
Seine Beschwerden sogleich zu begründen, hat unser Kritiker nicht
den leisesten Versuch gemacht. Der Prozeßbericht stellt vielmehr
selber ausdrücklich die Menschenfreundlichkeit des Inquisitors ans
Licht, der dem Angeklagten Gelegenheit gibt, sich durch Widerruf
und Generalabbitte vor Beginn des Verhörs aller weiteren Ver-
handlung zu entziehen.
Wer ist der Autor? Nehmen wir an, der ganze Bericht in der
Fassung A sei von ein und derselben Persönlichkeit geschrieben
(so bisher die allgemeine Annahme), so ergeben sich die größten
Schwierigkeiten. Die Schlußsätze weisen eindeutig auf einen Heidel-
berger „modernus“, Gegner der Kölner ,,thomistischen“ Domini-
kaner. Er selber zählt auf, wer aus Heidelberg anwesend war;
darunter war Nikolaus von Wachenheim der einzige ,,Marsilianer“,
die beiden andern, Henricus de Amsterdam und Jodocus de Calbo,
bekannte Führer der via antiqua. Also bleibt kein anderer Schluß:
Magister Nikolaus hätte nomine universitatis (ergänze: Heidel-
bergensis) das Einladungsschreiben Erzbischof Diethers beantwortet
und wäre zugleich Verfasser unseres Berichts. Aber ist das denkbar ?
Der Ketzerrichter selber ein so strenger Kritiker des Verfahrens ?
Und er deutet nicht einmal an, daß er im Kollegium überstimmt
worden sei ? Nikolaus von Wachenheim war 1479 einer der Senioren
der theologischen Fakultät1, bereits 1472 zum siebten Male Rektor
gewesen. Undenkbar also war es nicht — obgleich verwunderlich —-,
daß er und nicht der derzeitige Rektor (der Jurist Nikolaus Mör-
singer) im Namen der Universität jene Einladung Diethers beant-
wortete. Wir besitzen das Antwortschreiben in doppelter Ab-
schrift2: beide Male bloß unterzeichnet: Rector ac Universitas tota
studii Iieidelbergensis. Es strömt über von Devotion und Schmei-
chelei gegen den erhabenen Fürsten, der durch ein so heiliges und
1 Immatr. 1422; 1430 mag. und decanus fac. art.; 1434 presentatus ad
legendum sentencias, die er 1435 zu lesen beginnt, damals plebanus Heidel-
bergensis. Seit 1440 als prof. theol. aufgeführt, schon 1436 zum ersten Male
Rektor. Da die via antiqua erst 1452 in Heidelberg eingeführt wurde, gehörte
Wachenheim zu der herkömmlichen Schule der Marsilianer (moderni).
2 Winkelmann, U. B. der Univ. Heidelberg I, nr. 132, nach a. u. III,
209; vollständig gleichlautend sodann: C.l.m. 443, fol. 186f.