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Gerhard Ritter:
nützliches Werk wie dieses Ketzergericht seinen bewundernswerten
Verdiensten um die Kirche decus immens um, gloriam sempiternam
hinzufügen wolle usw. Keine Spur von innerer Unsicherheit,
sondern begeisterte Zustimmung, gehüllt in ein starkes rhetorisches
Pathos, sehr künstlich gedrechselte Phrasen, die vielleicht ein wenig
humanistisch schmecken. Es ist schwer vorzustellen, daß der Mann,
der sich als Autor dieses Schreibens in Erinnerung bringt, im selben
Atem jene Kritik sollte geschrieben haben. Ist die überhaupt im
Munde eines Heidelberger Schultheologen denkbar1 ? Nikolaus ist
uns bekannt als Verfasser einer ausführlichen reprobacio articulo-
rum Wicliff, IIuß et alterius Bohemi2 — sollte er wirklich die wicliffiti-
sche Färbung gewisser Weselscher Sätze nicht bemerkt haben?
Ich sehe keinen andern Ausweg, diesen Schwierigkeiten zu ent-
gehen, als den: jenen sonderbaren Einschub (im ersten Satz des
Berichts) und den kritischen Anhang von dem übrigen Ganzen los-
zulösen3. Geschieht das, so paßt alles übrige vortrefflich zusammen
als der Bericht eines sachverständigen, scholastisch gebildeten Augen-
zeugen; es ist dann allerdings kein Anhalt mehr dafür gegeben, ob
der Verfasser aus Heidelberg oder Köln stammte und im Namen
welcher von beiden Universitäten er dem Erzbischof geantwortet
hat4. Aber das ist dann auch von relativ geringer Wichtigkeit.
Die Loslösung jener polemischen Teile von dem rein sachlichen
Bericht wäre etwa so vorzunehmen, daß wir sie nicht als dessen
ursprüngliche Bestandteile, sondern als nachträgliche Glossen bzw.
Einfügungen eines Späteren aufzufassen hätten5. Aber wer war
1 Hierzu vgl. die Tatsache, daß Joh. von Wesel bereits einmal vor seiner
Absetzung als Wormser Domprediger (1477) auf Bischof Reinhardts Bitte von
den Heidelberger Theologen verhört und verwarnt worden war! Katholik
(1898) I, 49.
2 Clm. 6693, Bl. 239ff., s. o. S. 30 Anm. 1. -—- Über sonstige Schriften
Wachenheims vgl. Falk, Zentralbl. f. Bibliothekswesen XV (1898), 121 ff.
3 Wie die von Clemen a. a. O. vermutete Autorschaft eines Kölner
Dominikaners oder die von Schunk (Beitr. zur Mainzer Geschichte I, [1788],
321) aufgestellte und von Paulus (Katholik [1898] I, 46) anscheinend gut-
geheißene des Joh. Yilhauer sich mit der Annahme vertragen soll, der ganze
Bericht A sei von einer Hand, vermag ich nicht einzusehen.
4 Clemens soeben zitierte Vermutung hat in diesem Fall manches für
sich. Leider ergeben die von Hansen zusammengestellten Regesten zur Ge-
schichte der Universität Köln (Mitt. d. Stadtarchivs von Köln S. 36/7, 1918)
zu unserer Frage nichts Neues.
5 Das Fehlen des kritischen Anhangs in C ist immerhin bemerkenswert:
Gerhard Ritter:
nützliches Werk wie dieses Ketzergericht seinen bewundernswerten
Verdiensten um die Kirche decus immens um, gloriam sempiternam
hinzufügen wolle usw. Keine Spur von innerer Unsicherheit,
sondern begeisterte Zustimmung, gehüllt in ein starkes rhetorisches
Pathos, sehr künstlich gedrechselte Phrasen, die vielleicht ein wenig
humanistisch schmecken. Es ist schwer vorzustellen, daß der Mann,
der sich als Autor dieses Schreibens in Erinnerung bringt, im selben
Atem jene Kritik sollte geschrieben haben. Ist die überhaupt im
Munde eines Heidelberger Schultheologen denkbar1 ? Nikolaus ist
uns bekannt als Verfasser einer ausführlichen reprobacio articulo-
rum Wicliff, IIuß et alterius Bohemi2 — sollte er wirklich die wicliffiti-
sche Färbung gewisser Weselscher Sätze nicht bemerkt haben?
Ich sehe keinen andern Ausweg, diesen Schwierigkeiten zu ent-
gehen, als den: jenen sonderbaren Einschub (im ersten Satz des
Berichts) und den kritischen Anhang von dem übrigen Ganzen los-
zulösen3. Geschieht das, so paßt alles übrige vortrefflich zusammen
als der Bericht eines sachverständigen, scholastisch gebildeten Augen-
zeugen; es ist dann allerdings kein Anhalt mehr dafür gegeben, ob
der Verfasser aus Heidelberg oder Köln stammte und im Namen
welcher von beiden Universitäten er dem Erzbischof geantwortet
hat4. Aber das ist dann auch von relativ geringer Wichtigkeit.
Die Loslösung jener polemischen Teile von dem rein sachlichen
Bericht wäre etwa so vorzunehmen, daß wir sie nicht als dessen
ursprüngliche Bestandteile, sondern als nachträgliche Glossen bzw.
Einfügungen eines Späteren aufzufassen hätten5. Aber wer war
1 Hierzu vgl. die Tatsache, daß Joh. von Wesel bereits einmal vor seiner
Absetzung als Wormser Domprediger (1477) auf Bischof Reinhardts Bitte von
den Heidelberger Theologen verhört und verwarnt worden war! Katholik
(1898) I, 49.
2 Clm. 6693, Bl. 239ff., s. o. S. 30 Anm. 1. -—- Über sonstige Schriften
Wachenheims vgl. Falk, Zentralbl. f. Bibliothekswesen XV (1898), 121 ff.
3 Wie die von Clemen a. a. O. vermutete Autorschaft eines Kölner
Dominikaners oder die von Schunk (Beitr. zur Mainzer Geschichte I, [1788],
321) aufgestellte und von Paulus (Katholik [1898] I, 46) anscheinend gut-
geheißene des Joh. Yilhauer sich mit der Annahme vertragen soll, der ganze
Bericht A sei von einer Hand, vermag ich nicht einzusehen.
4 Clemens soeben zitierte Vermutung hat in diesem Fall manches für
sich. Leider ergeben die von Hansen zusammengestellten Regesten zur Ge-
schichte der Universität Köln (Mitt. d. Stadtarchivs von Köln S. 36/7, 1918)
zu unserer Frage nichts Neues.
5 Das Fehlen des kritischen Anhangs in C ist immerhin bemerkenswert: