Studien zur Spätscholastik. III.
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verehrten Meisters persönlich beiwohnt — sollte von hier aus etwa
der wunderliche Gedankengang unseres Prozeßberichtes A sich auf-
klären lassen ? Doch sehen wir weiter zu!
Der Prozeß, den die Frankfurter Dominikaner gegen Konrad
Hensel bei ihrem Konservator, dem Straßburger Bischof, an-
strengten, rief mit der Partei der Immakulisten zugleich die ganze
oberrheinische Humanistenclique auf den Plan. Sebastian Brant
übernahm als Anwalt Hensels dessen Verteidigung vor dem geist-
lichen Gericht und gewann den Prozeß im wesentlichen. Ihm zur
Seite stand — von Murner bis Wimpfeling •— alles, was im stolzen
Bewußtsein seiner neuen humanistischen Bildung die mönchischen
Ketzerrichter haßte. Ein (sonst, wie es scheint, unbekannter)
hessischer Landsmann Hensels, Wigand Trebellius, der sich selber
als dessen Schüler bezeichnet1, verfaßte zu seiner Verteidigung ein
Schriftchen: ,,Concordia curatorum et fratrum mendicantium, carmen
elegiacum deplangens discordiam et dissensionem Christianorum
cuiuscumque Status dignitatis aut professionis“2. Mutian schickte es
mit empfehlenden Worten an den bekannten Zeremonienmeister
Alexanders VI., Johann Burckard von Straßburg, 1502 nach Rom,
Jakob Wimpfeling gab es mit einer Widmungsvorrede 1503 in
Druck. Sein Inhalt gibt uns, wie mir scheint, den Schlüssel zur
Lösung jenes Rätsels, das uns der Prozeßbericht stellte.
Nachdem zunächst die Streitsucht der Dominikaner gegeißelt
ist, die sie veranlaßt habe, angebliche Kränkungen durch Hensel
zu einer großen Anklage vor Gericht aufzubauschen, erörtert der
Verfasser mehr im allgemeinen die Ursachen des ewigen Streites
zwischen Bettelmönchen und Pfarrern. Unter anderen, besser ein-
leuchtenden Erklärungen wird nun auch die folgende gegeben: Die
Brüder (gemeint sind offenbar speziell die Dominikaner) hängen
ihrem Thomas und Versor, die Weltgeistlichen aber den modernen
Schulhäuptern an (Marsilius, Buridan, Okkam, Burleigh, Holkot,
Gregor von Arimini, Petrus Alliacus, Johannes Gerson, Gabriel
Biel). Und doch kann es nichts Törichteres und Lächerlicheres
geben als diesen Streit der Schulen, den der Teufel gesät hat. Damit
ist das Stichwort gegeben zu einer wörtlichen Wiederholung der-
1 Hasso Hassonem, preceptorem discipulus, senem adolescens defeudat . . . .
Sed [cum) et idem gymnasium Erphordense lac nobis philosophiae ministravit . . .
Auch Mutian nennt den Trebellius: gentilis meus. Lauchert a. a. O. 7811.
verwechselt ihn mit Hermann Trebellius.
2 s. 1. et a. Proctor 9966. Ich benutzte das Exemplar der Erlanger U.-B.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1926/27. 5. Abh.
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verehrten Meisters persönlich beiwohnt — sollte von hier aus etwa
der wunderliche Gedankengang unseres Prozeßberichtes A sich auf-
klären lassen ? Doch sehen wir weiter zu!
Der Prozeß, den die Frankfurter Dominikaner gegen Konrad
Hensel bei ihrem Konservator, dem Straßburger Bischof, an-
strengten, rief mit der Partei der Immakulisten zugleich die ganze
oberrheinische Humanistenclique auf den Plan. Sebastian Brant
übernahm als Anwalt Hensels dessen Verteidigung vor dem geist-
lichen Gericht und gewann den Prozeß im wesentlichen. Ihm zur
Seite stand — von Murner bis Wimpfeling •— alles, was im stolzen
Bewußtsein seiner neuen humanistischen Bildung die mönchischen
Ketzerrichter haßte. Ein (sonst, wie es scheint, unbekannter)
hessischer Landsmann Hensels, Wigand Trebellius, der sich selber
als dessen Schüler bezeichnet1, verfaßte zu seiner Verteidigung ein
Schriftchen: ,,Concordia curatorum et fratrum mendicantium, carmen
elegiacum deplangens discordiam et dissensionem Christianorum
cuiuscumque Status dignitatis aut professionis“2. Mutian schickte es
mit empfehlenden Worten an den bekannten Zeremonienmeister
Alexanders VI., Johann Burckard von Straßburg, 1502 nach Rom,
Jakob Wimpfeling gab es mit einer Widmungsvorrede 1503 in
Druck. Sein Inhalt gibt uns, wie mir scheint, den Schlüssel zur
Lösung jenes Rätsels, das uns der Prozeßbericht stellte.
Nachdem zunächst die Streitsucht der Dominikaner gegeißelt
ist, die sie veranlaßt habe, angebliche Kränkungen durch Hensel
zu einer großen Anklage vor Gericht aufzubauschen, erörtert der
Verfasser mehr im allgemeinen die Ursachen des ewigen Streites
zwischen Bettelmönchen und Pfarrern. Unter anderen, besser ein-
leuchtenden Erklärungen wird nun auch die folgende gegeben: Die
Brüder (gemeint sind offenbar speziell die Dominikaner) hängen
ihrem Thomas und Versor, die Weltgeistlichen aber den modernen
Schulhäuptern an (Marsilius, Buridan, Okkam, Burleigh, Holkot,
Gregor von Arimini, Petrus Alliacus, Johannes Gerson, Gabriel
Biel). Und doch kann es nichts Törichteres und Lächerlicheres
geben als diesen Streit der Schulen, den der Teufel gesät hat. Damit
ist das Stichwort gegeben zu einer wörtlichen Wiederholung der-
1 Hasso Hassonem, preceptorem discipulus, senem adolescens defeudat . . . .
Sed [cum) et idem gymnasium Erphordense lac nobis philosophiae ministravit . . .
Auch Mutian nennt den Trebellius: gentilis meus. Lauchert a. a. O. 7811.
verwechselt ihn mit Hermann Trebellius.
2 s. 1. et a. Proctor 9966. Ich benutzte das Exemplar der Erlanger U.-B.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1926/27. 5. Abh.
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