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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 5. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 3: Neue Quellenstücke zur Theologie des Johann von Wesel — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38927#0048
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Gerhard Ritter:

wie er denn überhaupt zu deren heftigsten Gegnern und leiden-
schaftlichsten „Immakulisten“ gehörte; stinkende Hundsblumen,
so pflegte er von der Kanzel zu donnern, flechten die Makulisten
in den Rosenkranz Mariä, und Ärgeres mehr. Aus solchen Angriffen
entwickelte sich bald ein Kanzelstreit von grotesker Häßlichkeit
mit dem uns schon bekannten Prior der Frankfurter Dominikaner,
Dr. Wigand Wirt, der nach kurzer Zeit zu einem abscheulichen
Kirchenskandal mit nachfolgendem Prozeß der Dominikaner gegen
ihren Beleidiger führte1. In diesem gegenseitigen Gezeter nun hat
Wigand Wirt, wie mehrere Zeugenaussagen berichten2, seinen
Widersacher dadurch mattzusetzen gesucht, daß er ihm vorwarf,
er habe ,,diese Stücklein“ (nämlich die Lehre von der unbefleckten
Empfängnis) „von seinem Meister Weselia behalten“, der ja als
Ketzer verschieden sei — was dann wiederum Hensel zu einer
Erkundigung bei den Augustinern in Mainz veranlaßte (bei denen
Wesel gestorben war); ihr Ergebnis, daß jener als katholischer
Christ verschieden sei, verkündete er triumphierend von der Kanzel.
Man wird nach diesen Mitteilungen kaum zweifeln dürfen, daß
Hensel nicht nur Schüler Wesels, sondern auch als dessen Verehrer
in Frankfurt bekannt war. In einer Streitschrift, die Wigand Wirt
bald darauf gegen ihn richtete, redet der Autor seinen als Wesa-
lianus bezeichneten fingierten Gegner folgendermaßen an: „Sed et
tu ipse (si tarnen non einem) hec ipsa (seil, das Mainzer Ketzergericht
1479) propriis aspexisti luminibus“3. Nach dem ganzen Zusammen-
hang ist dringend zu vermuten, daß an dieser Stelle mit dem
Wesalianus Konrad Hensel selber gemeint sei — eine andere Deu-
tung ist kaum möglich. Da nun Wirt eine sehr genaue aktenmäßige
Kenntnis der Mainzer Verhandlungen besaß, fällt von hier aus
neues Licht auf jenen plebanus Francfordiensis, der in unserem
Prozeßbericht als Teilnehmer an den Mainzer Vorberatungen vom
5. Februar 1479 (Freitagssitzung) und am 8. Februar als einer der
„fautores“ erscheint, die der Inquisitor zu dem Inkulpaten schickt,
um ihn zu freiwilligem Widerruf vor Beginn des Verhörs zu über-
reden. Ein Schüler Wesels also, der dem Ketzerprozeß des von ihm

1 Steitz, Der Streit über die unbefleckte Empfängnis der Maria zu
Frankfurt a. M. im Jahre 1500 (diese Datierung ist irrig!). Archiv f. Frankf.
Gesch. u. Kunst. N. F. VI (1877).
2 Steitz, a. a. O., 20f.
3 Dialogus apologeticus contra Wesalianicam perfidiam (s. weiter unten
das Nähere!), fol. Iv.
 
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