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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0044
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44

Ernst Lohmeyer:

Es ist zugleich ein lebendiges Zeugnis für die hohen geistigen
Kräfte, die in vorpaulinischem Urchristentum sich regten.
Ist der bisherige Gedankenzug des Psalmes richtig verstanden,
so ist damit auch ein Verständnis der letzten Wendung angebahnt:
havarou Ss o'Taupoo.. Die Partikel 8e kann in diesem Zusammenhang
nur steigernde Bedeutung haben1; will man nicht das oD.Xa der
zweiten Strophe als Partikel fassen, das klanglich und sachlich doch
eine ungleich stärkere gegensätzliche Kraft hat, so ist Sc die einzige
in der bisher völlig partikellosen Periode. Welches aber ist der
Grund solcher Steigerung? Nach der gedanklichen Anlage des Ge-
dichtes ist der Tod an sich der äußerste Kontrast zu der Göttlichkeit
der Gestalt; er ist deshalb auch der höchste Beweis der „Demut“.
Vor solcher religiösen Wertung ist die Art dieses Todes verhältnis-
mäßig gleichgültig. Der Begriff des Kreuzestodes stellt aber diesen
Tod in Vergleich mit anderen Todesarten. So ist eine Weise mensch-
licher Betrachtung hineingetragen, die nur nach den Begriffen
menschlicher Ehre oder Unehre, vielleicht auch größeren oder ge-
ringeren Schmerzes sich vollziehen läßt. Bisher aber ist die Betrach-
tung rein sub specie dei durchgeführt. Nicht eine der möglichen
Todesarten, sondern Begriff und Tatsache des Todes überhaupt
sind ihr das allerfremdeste. Vollends wenn in der dritten Strophe
vom Eingehen in das mythische Reich des Todes die Rede ist, das
neben dem himmlischen und irdischen in eigener Sonderung steht,
fällt die Möglichkeit fort, den Begriff des Todes noch durch den Zu-
satz : üavocTou §s araupou zu steigern. Denn dieser Zusatz führt
wieder in den Bezirk menschlicher Unterscheidungen zurück. Also
läßt diese Bestimmung sachlich sich dem bisherigen Gedankengang
des Gedichtes nicht einfügen. Sie ist auch formal unerträglich.
Denn gehörte sie in die dritte Zeile hinein, so würde sie tiher die bis-
her sorgfältig gewahrte Länge der Zeilen, in diesem Falle ihre
ursprüngliche Dreihebigkeit, überschießen. Bildete sie eine eigene
Zeile, so würde die Dreizeiligkeit der Strophe an dieser einzigen
Stelle gesprengt. So gehört aus formalen und sachlichen Gründen
diese Wendung, die wegen der Häufung der Genetive auch sprachlich
in die gepflegte Diktion der Strophen sich schlecht einzufügen
scheint, nicht ursprünglich zu diesem Gedichte. Wie ist sie alsdann
zu erklären ?
Es ist bekannt, daß im Urchristentum der Tod Christi auf
doppelte Weise religiös gedeutet worden ist. Die eine Deutung
1 Vgl. auch Blass-Debr.5, Neutestamentliche Grammatik § 447. 8.
 
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