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Ernst Lohmeyer:
weder möglich noch notwendig. So wird hier bestätigt, nicht nur
daß die so deutlich abgesetzte Glosse vom Kreuzestode keinen ur-
sprünglichen Bestandteil des Gedichtes bildet, sondern auch daß
dieses als Ganzes nicht von Paulus konzipiert, sondern von ihm
übernommen ist. Und auch das Motiv dieser Übernahme wird
deutlich; es ist die markante Nennung des Todes, die in der Mitte
des Gedichtes steht; seine Wertung als eines Zeichens der,,äußersten
Demut“ gab Paulus die Möglichkeit, es paränetisch für die Ge-
meinde fruchtbar zu machen.
4.
Mit dem Ende der dritten Strophe ist formal und sachlich die
Peripetie des Psalmes erreicht. Die dreifache Tat des „Menschen-
sohnes“, die Bewährung in der Versuchung, die Opferung und Er-
niedrigung seiner selbst, die ihn durch drei Beiche geführt hatte,
schilderte die erste Hälfte in drei gleich gebauten Strophen. Alles
was hier berichtet wird, ist das selbstmächtige und selbstgewollte
Handeln dieser Gestalt. Nichts geschieht an ihr, und selbst das
„Mensch-werden und -entwerden“ ist nur möglich und wirklich
als Akt seines Willens. Die zweite Hälfte des Psalmes bringt die
notwendige und andersartige Ergänzung des bisherigen Gedanken-
ganges. Nicht mehr Subjekt des eigenen, sondern Objekt des Han-
delns anderer ist jetzt die göttliche Gestalt; die Tat ruht bei Gott
und der Welt, und alles geschieht mit und an jener Gestalt, die
eigene Erhöhung wie die Unterwerfung des Alls. So ist denn hier
auch Christus nicht mehr das grammatische Subjekt und nicht mehr
ist er rein auf sich selbst bezogen, sondern Subjekte sind auch
äußerlich Gott und das All, und Christus ist nur durch ein ocutov
und den menschlichen Namen: sv ovo^a-a’Itjcou angedeutet. Aber
beide beziehen sich nur auf ihn; und diese einzige Bezogenheit
kommt in dem Bekenntnis: „Herr Jesus Christus“ zu jubelndem
Ausdruck.
Den Umschwung des Psalmes bezeichnet scharf das Wörtchen
816. Es teilt ihn in zweimal drei Strophen. Und auch die jetzt
beginnende zweite Hälfte ist der ersten völlig analog gebaut. Wieder
sondert sich die vierte Strophe gleich der ersten syntaktisch und
sachlich ab, und es schließen sich die beiden folgenden unter der
Herrschaft eines „Daß“ eng zusammen, wie die zweite und dritte
unter der Herrschaft eines „Sondern“. Die vierte aber zeigt auch
noch kleinere formale Besonderheiten, durch die sie aus den anderen
Ernst Lohmeyer:
weder möglich noch notwendig. So wird hier bestätigt, nicht nur
daß die so deutlich abgesetzte Glosse vom Kreuzestode keinen ur-
sprünglichen Bestandteil des Gedichtes bildet, sondern auch daß
dieses als Ganzes nicht von Paulus konzipiert, sondern von ihm
übernommen ist. Und auch das Motiv dieser Übernahme wird
deutlich; es ist die markante Nennung des Todes, die in der Mitte
des Gedichtes steht; seine Wertung als eines Zeichens der,,äußersten
Demut“ gab Paulus die Möglichkeit, es paränetisch für die Ge-
meinde fruchtbar zu machen.
4.
Mit dem Ende der dritten Strophe ist formal und sachlich die
Peripetie des Psalmes erreicht. Die dreifache Tat des „Menschen-
sohnes“, die Bewährung in der Versuchung, die Opferung und Er-
niedrigung seiner selbst, die ihn durch drei Beiche geführt hatte,
schilderte die erste Hälfte in drei gleich gebauten Strophen. Alles
was hier berichtet wird, ist das selbstmächtige und selbstgewollte
Handeln dieser Gestalt. Nichts geschieht an ihr, und selbst das
„Mensch-werden und -entwerden“ ist nur möglich und wirklich
als Akt seines Willens. Die zweite Hälfte des Psalmes bringt die
notwendige und andersartige Ergänzung des bisherigen Gedanken-
ganges. Nicht mehr Subjekt des eigenen, sondern Objekt des Han-
delns anderer ist jetzt die göttliche Gestalt; die Tat ruht bei Gott
und der Welt, und alles geschieht mit und an jener Gestalt, die
eigene Erhöhung wie die Unterwerfung des Alls. So ist denn hier
auch Christus nicht mehr das grammatische Subjekt und nicht mehr
ist er rein auf sich selbst bezogen, sondern Subjekte sind auch
äußerlich Gott und das All, und Christus ist nur durch ein ocutov
und den menschlichen Namen: sv ovo^a-a’Itjcou angedeutet. Aber
beide beziehen sich nur auf ihn; und diese einzige Bezogenheit
kommt in dem Bekenntnis: „Herr Jesus Christus“ zu jubelndem
Ausdruck.
Den Umschwung des Psalmes bezeichnet scharf das Wörtchen
816. Es teilt ihn in zweimal drei Strophen. Und auch die jetzt
beginnende zweite Hälfte ist der ersten völlig analog gebaut. Wieder
sondert sich die vierte Strophe gleich der ersten syntaktisch und
sachlich ab, und es schließen sich die beiden folgenden unter der
Herrschaft eines „Daß“ eng zusammen, wie die zweite und dritte
unter der Herrschaft eines „Sondern“. Die vierte aber zeigt auch
noch kleinere formale Besonderheiten, durch die sie aus den anderen