Metadaten

Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0060
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
60

Ernst Lohmeyer:

die Mitte, Himmel und Hölle als die Gegenpole erscheinen, hat
wiederum nur in iranischen Konzeptionen ein ursprüngliches Äqui-
valent. Was aber diese Worte zu einzigartiger Bedeutung erhebt,
ist dieses, daß in ihnen nicht mehr von Scheidung der Gläubigen
und Ungläubigen, von Gericht über Lebende und Tote und Vernich-
tung der Welt die Rede ist, sondern von der Verehrung, die der
gesamte Kosmos bezeugt. Wie schon bisher, so fällt auch an dieser
Stelle des Psalmes kein Blick auf eine Gemeinde von Frommen,
sondern Gott, Christus und Welt sind die drei einzigen und jetzt
einigen Mächte, die den Gedankengehalt tragen. Es ist kosmische,
nicht ekklesiastische oder „kultische“ Betrachtung, und Herr sein
bedeutet darum zunächst Herr der Welt, nicht aber Herr einer Ge-
meinde sein.
6.
Wie die stumme Gebärde der Anbetung, so erstreckt sich auch
das offene Wort des Bekenntnisses auf alle Geschöpfe. Und wieder
ist hier das Bekenntnis des Alls: Kyrios Jesus Christus, nicht das
einer Gemeinde* 1. Auch die Formel selbst, die nicht von „unserem
Herrn“, sondern absolut von „dem Herrn“ spricht, bestätigt den
Peterson noch beigebrachten Zeugnisse (Cornutus cap. 24, Martyr. d. hlg.
Agnes, ed. Achelis p. 86 § 10, Const. ap. VII 8) sind nicht direkt vergleichbar.
Den Römern scheint die Einteilung in caelestes, terrestres, inferni geläufig
gewesen zu sein; s. Livius I 32, 10 und vgl. Wissowa in Hermes 52 (1917) 103.
Was unter „Himmlischen, Irdischen und Unterirdischen“ gemeint sei, läßt
sich nicht sagen, aber auch nicht fragen; denn der Kosmos nicht in seiner
Gliederung, sondern in seiner Totalität soll hier umspannt werden. Von einem
ähnlichen Triumph über alle Mächte sprechen I. Tim. 3, 16; Ign. Eph. 19, 3;
Od. Sal. 17, 6; 41, 6; Asc. Jes. 11, 24ff.; Mand. Lit. 75, 81; mehr bei Bült-
mann, ZNTW 1925, 121 ff.
1 Deshalb hat Peterson EU 171, 3 recht, diesen Ruf mit antiken
Akklamationen zu vergleichen. Die Szene ist hier äußerlich die einer Inthroni-
sation, durch die nach errungenem Siege der „Herr der Welt“ proklamiert
wird (v. 10) und von dem gesamten Kosmos akklamiert wird; sie ist sachlich
also mit Apok. Joh. 5, 1—14 identisch (vgl. meinen Kommentar z. St.). Frei-
lich ist es ein Irrweg, den Kyriosruf nun auch geschichtlich von den Kaiser-
proklamationen herzuleiten; Name und Bekenntnis hängen an dem Begriff
des „Menschensohnes“; s. Abschnitt IV. Daß „Bekenntnis“ nicht im Sinne
einer exO-scn; mairetoc; gefaßt werden kann, ist selbstverständlich; denn hier
sind gar keine geschichtlichen Träger solchen Bekenntnisses vorhanden. Wenn
Peterson deshalb den Begriff „Bekenntnis“ überhaupt ablehnt, so ist über-
sehen, daß in dem urchristlichen slWoZoysiaüoa Akklamation und Bekennt-
nis noch eine ununterschiedene Einheit bilden, und Bekennen erst möglich
wird, dadurch daß Gott die Sprache des Bekennens schafft.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften