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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0073
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Kyrios Jesus.

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sohn“ war. Es kann auch nicht, wie es bei Paulus geschieht, von
dem Sohne Gottes clie Rede sein, der in seinem irdischen und himm-
lischen Dasein der gleiche ist. Vielmehr steht diese Deutung, die die
beiden Lebensformen nur durch eine Tat Gottes und damit durch
ein gläubiges Wissen verknüpft, noch vor diesen späteren An-
schauungen; sie zeigt auch hier ihren archaischen Charakter.
VI.
Ist so der Psalm richtig gedeutet, so ergeben sich aus ihm
Schlüsse, die für die geistige Geschichte des Urchristentums von
weittragender Bedeutung sind. Er gehört der vorpaulinischen
Zeit an; sein Ursprung ist in Kreisen der ältesten urchristlichen
Gemeinden zu suchen. Man ist versucht, an Antiochien oder Da-
maskus zu denken; aber nichts hindert auch, in Jerusalem den
Ursprungsort zu suchen. Denn diese Ode lebt nicht von hellenisti-
schen Gedanken, sondern von der einen großen Anschauung vom
Menschensohn, deren letzte geschichtlichen Ursprünge vielleicht auf
außerjüdischen Boden führen mögen, die aber seit Jahrhunderten
im jüdischen Glauben, wenn auch vielleicht nicht allgemein ein-
gewurzelt war. Und mit ihr ist eine transzendente und kosmische
Betrachtungsweise gegeben, die, sei es erst im Urchristentum,
sei es schon im Judentum, von nationalen Bedingungen sich gelöst
hat. Diese Anschauung erweist sich als ein altes Gut der ersten
Urchristenheit; sie ist das Fundament, auf das Paulus sich gründet.
Die transzendenten und kosmischen Züge des paulinischen Christus-
bildes, wie sie charakteristisch abgewandelt etwa 1. Kor. 8; 2. Kor.
8, 9; Kol. 1, 15 ff. vorliegen, sind also nicht äußerste,,hellenistische“
Folgerungen, sondern nächstes jüdisches Erbe. Sie repräsentieren,
im einzelnen vielleicht noch unbestimmt und reicher Wandlungen
fähig, eine vorpaulinische Christustradition, von der sich das pauli-
niscbe „Wort von Christus, dem Gekreuzigten“ erst in eigentüm-
licher Prägnanz abhebt. Wie weit auch dieses „Wort vom Kreuz“
schon traditionell bestimmt sein mag, ist hier nicht zu untersuchen.
In dieser Anschauung sind zwei christologische Namen unlös-
lich verbunden: „Menschensohn“ und „Kyrios“. In dem apoka-
lyptischen Titel ist das Recht gegeben, auf seinen Träger nach seiner
Erhöhung auch den alttestamentlichen Gottesnamen zu übertragen;
oder genauer: Mit dem einen ist auch der andere gesetzt. Kyrios
bedeutet also zunächst den offenbaren Herrn und Herrscher der
Welt; zu dieser Würde hat ihn Gott aus dem Geheimnis des Men-
 
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